31 - Und Friede auf Erden
holländische Gouverneur am nächsten Tage nicht in Kota Radscha sein werde, so machten wir ihm noch heut unsere feierliche Dank- und Abschiedsvisite, bei welcher wir aber bald herausfühlten, daß dem einfachen, wackeren Mijnheer ein herzlicher Händedruck ohne alle Feierlichkeit viel lieber gewesen wäre. Den materiellen Dank, so was man Bezahlung zu nennen pflegt, in klingenden Münzen auszusprechen, das überließen wir John Raffley, weil er nicht nur das beste Talent, sondern auch mehr ‚Talente‘ als wir anderen dazu besaß. In welcher Weise er dieser silbernen oder gar goldenen Verpflichtung nachgekommen war, das sahen wir, als wir am Morgen den Kratong verließen. Die ganze, allerdings nicht sehr imponierende Heeresmacht desselben hatte Aufstellung genommen, und auf jedem einzelnen Gesicht war mit größter Deutlichkeit der wehmütige Gedanke zu lesen: Wenn doch öfters so ein Dysenteriekranker mit solchen Begleitern käme! Die Dysenterie ist leider immer da; aber solche Lords, die sieht man wohl nicht wieder!
Das beste und tiefste Verständnis für dieses Bedauern schien mein Sejjid Omar zu empfinden. Er ging von Mann zu Mann, um jedem die Hand zu drücken, und tat dies mit hoch aufgerichteter Gestalt und einem so herablassenden Mäcenaslächeln, als ob er sein ganzes, bei mir angesammeltes Diensteinkommen unter sie verteilt habe.
Wir hatten eine leichte Sänfte konstruiert, welche so lang war, daß der Kranke ausgestreckt in ihr liegen konnte. Acht Träger wechselten einander ab. So brachten wir ihn bequem und leicht bis auf den Landesteg, und da die See so ruhig war, wie wir nur wünschen konnten, ging auch die Einschiffung in einer Weise vonstatten, von welcher Waller nicht im geringsten angegriffen wurde.
An Bord angekommen, sah ich nun, was Raffley und Tsi mir noch gar nicht gesagt hatten. Nämlich John, der liebe, liebe, prächtige Mensch, hatte dem Kranken seine eigene Kajüte überlassen. Sie war ausgeräumt und in ein Pflegezimmer verwandelt worden, wie man es sich besser, bequemer und gesünder gar nicht denken konnte. Nur eine Aufmerksamkeit oder vielmehr ein Opfer, dessen Größe nur mit der Herzensgüte Raffleys zu vergleichen war. Wo dieser wohnte, sah ich jetzt noch nicht; wir anderen aber hatten alle dieselben Räume wieder, in denen wir vorher untergebracht gewesen waren.
Als Tsi sich in Penang zu uns gesellt hatte, war nicht daran zu denken gewesen, daß er für eine längere Zeit der Gast der ‚Yin‘ sein werde. Er verlor kein Wort darüber, ob seine Bereitwilligkeit ihm Störungen bringe oder gar ihm Opfer auferlege, und bat nur darum, daß wir wieder drüben anlegen möchten, damit er für kurze Zeit an das Land gehen könne, um Briefe auf die Post zu geben und seine dortigen Angelegenheiten zu ordnen. Dieser Wunsch wurde ihm natürlich erfüllt; dann gingen wir sofort nach Singapore, wo eine reichliche Menge Masut, welches in Penang nicht zu haben gewesen war, für die Feuerung aufgenommen wurde. Hierauf ging es auf der Hongkong-Linie dem geheimnisvollen Norden zu.
Ich nenne ihn geheimnisvoll, weil er es für uns war. Außer Raffley wußte niemand, wohin wir gingen, und dieser zeigte, gegen seine sonstige offene Art, keine Geneigtheit, uns Auskunft zu erteilen. Als Mary Waller zwei Tage, nachdem wir Singapore verlassen hatten, bei Tafel eine hierauf bezügliche Frage an ihn richtete, antwortete er:
„Bitte, Mylady, lassen Sie das für einstweilen noch mein Geheimnis bleiben! Ich werde gewiß dafür sorgen, daß jeder von uns sein besonderes Ziel erreicht; vorher aber haben wir ein gemeinschaftliches, für welches wir hier wie von einer gütigen Fee zusammengeführt worden sind. Folgen wir ihr mit dem Vertrauen, auf welches solche höhere Wesen Anspruch haben!“
Sein Wunsch wurde natürlich beachtet und dieses Thema also nicht wieder als Gesprächsgegenstand behandelt. Um so mehr wendete sich unsere Aufmerksamkeit dem Befinden des Kranken zu, welches uns ganz selbstverständlich im höchsten Grade interessierte, zumal es sich dabei um ganz eigenartige, rätselhafte Zustände handelte. Nur der junge Arzt schien die Lösung dieser Rätsel zu kennen. Er war so froh, sie in seine Hand gelegt zu sehen, so heiter, so zuversichtlich; er kam mir fast wie eine glückliche Mutter vor, welche mit unendlicher Liebe das körperliche und geistige Werden ihres Kindes überwacht. Sein Vertrauen teilte sich auch Mary mit. Beide waren in der Pflege des Vaters eng vereint; sie schienen
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