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31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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was er tat, belehren lassen. Indem er dieses dachte und voller Sehnsucht nach dem Nachbarreich hinüberschaute, sah ihn die ‚Hen‘ und kam herbei, in ihm den Neid und alle Kinder, die es von diesem gibt, im Herzen zu erwecken. Das gefiel ihm wohl. Er kam am nächsten Tag wieder. Am dritten schloß er schon die Pforte auf und ging hinaus zu ihr, um sich von ihr das Glück der Hölle zeigen zu lassen. Von nun an lehrte sie ihn täglich, heimlich, wie man regieren müsse, und er ließ, was sie sagte, im Paradies geschehen und fragte nicht mehr nach der Menschlichkeit. Das sah die ‚Shen‘. Sie folgte seinen Spuren und kam zum Tor, grad als es offenstand. Soeben hatte ‚Hen‘ ihn bei der Hand ergriffen, um mit ihm fortzugehen. Da stürzte sich die ‚Shen‘ hinaus, um ihn zu retten. Doch in demselben Augenblick erschien der Satan, aus seinem Abgrund tauchend, erhob die Faust und schlug sie, daß sie tot zu Boden sank. ‚Sie trat aus Gottes Schutz heraus, vor seine Pforte‘, sprach er; ‚drum konnte sie von mir vernichtet werden, sonst aber nicht. Scharrt sie hier ein!‘ Und sich hierauf zum Menschengeist wendend, fuhr er fort: ‚Du armer Wurm, der sich so erhaben dünkte, daß ihn nicht einmal das Paradies zu halten wußte! Sag mir einmal, wer bist du denn, und was hast du getan, um das, was du von Gott verlangst, von ihm verdient zu haben? Verdienst, Verdienst! Bei diesem Wort lacht die ganze Hölle! Es werde dir gezeigt, was es heißt, sich auch nur einen einzigen Hauch der Gnade zu verdienen! Du lebst in dem Wahn, dem Himmel und der Hölle gebieten zu können, und hattest nicht einmal gelernt, dich selbst zu beherrschen, dich und deinen Dünkel! Wohlan, du wirst nun unter Teufeln sein, denn meine Hölle und dein Menschenreich, das ist von heute an für dich dasselbe. Als Teufel werden diese Menschen an dir handeln, weil du als Teufel dort im Paradies handeln wolltest, und tausend Teufel sollen in deinem eigenen Innern wohnen, mit denen du zu kämpfen hast bei Tag und Nacht, unausgesetzt, bis der vom Himmel kommt, den wir verfluchen und doch ewig segnen! Hast du gelernt, dieser Hölle in dir selbst ein Herr zu sein, so lausche, ob vielleicht in meinem Reich der Name ‚Shen‘ in Heimlichkeit erklingt. Bis dahin aber sei verflucht von allen denen, welche nun mit dir vertrieben werden, weil sie glaubten, dir gehorchen zu müssen!‘ – – – Indem er dieses sprach, geschah ein Blitz, hierauf ein Donnerschlag; die Sonne verschwand vom Himmel; die Erde bebte; die Berge stürzten ein; die Tiefe klaffte auf; das Tor der Seligkeit verschwand mit seinen Mauersäulen, und Tausende und aber Tausende drängten sich in wahnsinniger Angst vorüber, um sich aus dem verschwindenden Paradies in die offenstehende Hölle zu retten!“
    Nun schwieg der Pfarrer. Es ging ein leises Geräusch zur Decke empor und nach dem Vorhang hin; dann begann dieser sich zu bewegen, der auf der linken Seite.
    Das, was ich sah, war nicht das Paradies, sondern die letztbeschriebene Szene vor dem eingestürzten Tor. Da standen sie, der Menschengeist, der Satan und die ‚Hen‘. Einige niedrige Wesen bemühten sich, die Leiche der ‚Shen‘ auf die Seite zu schleppen. Zwischen den Trümmern des Tores stürzten sie hervor, die Unglücklichen, die weder sahen noch hörten, sondern nur den einen Gedanken hatten, sich in Sicherheit zu bringen. Sie quollen in eng zusammengedrängter Masse heraus, mit verzerrten Gesichtern, heulend und schreiend, sich stoßend, drängend und treibend. In ihrer blinden Angst bemerkten sie die drei am dunklen Felsen Stehenden nicht, denen sie den Verlust des Paradieses verdankten. Nur vorwärts, vorwärts strebten sie, obgleich infolge dieser fürchterlichen Panik viele in den Abgrund stürzten, der auf der andern Seite gähnte. Da gab es Europäer, Amerikaner und Asiaten, weiße, schwarze, rote und gelbe Menschen, Kaukasier, Mongolen, Indianer, Neger und alle Arten von Mischlingen. Sie alle waren im Paradies gewesen, und sie alle wurden nun aus demselben vertrieben, weil sie nicht der himmlischen ‚Shen‘, sondern dem von der ‚Hen‘ verführten Menschengeist gehorcht hatten. Ihre Scharen füllten die Wege und breiteten sich nach allen Seiten über das öde, wüste Land, weiter, nur immer weiter, bis sie ganz draußen, da, wo die Hinterwand abschloß, in der dort beinahe undurchsichtbar gewordenen Luft verschwanden.
    Denn die Atmosphäre war diejenige eines Unwetters, eines Erdbebens, einer ganz

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