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31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hatte. „Fort mit euch von hier!“ gebot er ihnen. „Ich bin der Geist; sie aber ist die Seele; gebt Raum für sie: für meine Nächstenliebe!“
    Da geschah, wie damals, ein Blitz und hierauf ein Donnerschlag, so daß die Erde bebte. Der Satan flog mit seiner ‚Hen‘ dem Abgrund zu und verschwand in dessen Tiefe; der Felsen aber warf die Steine des Grabes aus, und dann trat sie hervor, die Himmlische, zu dem Erlöser hin, nach dessen Geist die Seele ewig strebt. Der schlug den Arm um sie, wendete sich mit ihr zurück zu denen, die da kamen, winkte ihnen, ihm und ihr zu folgen, und schritt sodann dem offenen Tor zu!
    Ich saß noch lange, wie festgebannt, unter dem Eindruck des Ganzen. Dann stand ich auf und ging das Gemälde ab, um die Schönheiten auch im einzelnen zu genießen. Die Saiten des Si-Yangtschin hörten jetzt auf zu klingen, und als ich die hintere, schmale Wand erreichte und dort nach Yin suchte, um mich bei ihr zu bedanken, war sie fort. Es führte da eine Tür hinaus, durch welche sie gegangen war. Zwischen den Pflanzen aber stand das Instrument, mit dem sie sich für mich beschäftigt hatte.
    Dann ging ich wieder nach vorn. Der Pfarrer war nicht mehr da. Doch als ich hinauskam, saß er auf seiner Bank, um auf mich zu warten. Er ging erst noch einmal hinein, um nun auch den zweiten Vorhang niederzulassen, und dann führte er mich durch das Castle nach der Straße hinaus, auf welcher wir in kurzer Zeit das höchste Gebäude der Besitzung, die Kapelle, erreichten. Unter ihr lag, wie schon einmal erwähnt, das Atelier. Wir gingen vorüber. Das war, wie der Geistliche sagte, ein Heiligtum, in welchem meist nur geistig Hohes geboren wurde. Darum äußerten selbst bevorzugte Personen niemals den Wunsch, es zu betreten. Yins eigene Aufforderung war der einzige Schlüssel, es für andere zu öffnen.
    Als er mir ‚seine‘ Kapelle, wie er sie in rührendem Stolz nannte, gezeigt hatte, setzten wir uns unter eine der Riesentannen, von denen sie flankiert wurde, und hielten ein Gespräch, im Verlauf dessen er mich einen tiefen Blick in sein reiches Herz und in sein armes Leben werfen ließ. Der Arme war erst dann reich geworden, als die Reichen ihn verwarfen. Jetzt aber galt für ihn das Ideal erreicht, welches ihm von dem Beruf, den Pflichten und den Erfolgen eines christlichen Seelsorgers vorgeschwebt hatte. Er sagte hierüber:
    „Nun befinde ich mich endlich, endlich, endlich in dem Gelobten Land. Ich bin in Jebus-Salem, der Stadt des Friedens, angekommen und kann hinüberschauen nach Bethlehem, wo er, der Einzig-eine, den Ihr vorhin im Bilde saht, genauso für die Armen geboren wurde wie jetzt und hier in dem Land der verachteten Mongolen. Dort, in Kanaan, wurde sein Erscheinen Jahrhunderte vorher von den Propheten kundgetan; hier aber hat das stille und doch so große Werk der ‚Shen‘ ihm alle Herzen vorbereitet. Wer nicht an die Propheten glaubt, wird nimmermehr den Heiland sehen können. Und wer sich gegen die ‚Shen‘ vergeht, dem großen Menschheitsbund der Bruderliebe, der wird den ‚gelben Mann‘ niemals zum Christen machen. Das versichere ich Euch bei meinem Priesterwort!“
    Er stand auf, ging einige Male hin und her und blieb dann stehen, um hinüberzuschauen, wo am dunklen Rand des Waldes, an den vom Luftzug bewegten Zweigen, goldene Sonnenfunken spielten. In seinen Augen schimmerte etwas Ähnliches; es glänzte über sein Gesicht, und es verlieh seinem langen, weißen Haar einen rötlich silbernen Hauch.
    „Als ich in dieses Land berufen worden war“, fuhr er fort, „kam ich hier an, als man sich anschickte, den Grundstein zur Kapelle da zu legen. Ich wurde gebeten, mich mit einer kurzen Rede hieran zu beteiligen, und bereitete mich also rasch auf diese vor. Aber als ich kam und die beiden Tafeln sah, welche Sir John und Fu gewidmet hatten, damit sie unter den Grundstein versenkt würden, da verzichtete ich auf alle diese erst aufgeschriebenen und dann einstudierten Sätze und ließ nur ganz allein die Stimme meines Herzens sprechen. Es waren zwei kleine, nur vierzeilige Strophen, die ich auf diesen Tafeln las. Sir John hatte ein altes, christliches Gebetlein meißeln lassen, Fu aber eine eigene Antwort dazu. Ihr wißt wohl, daß er sich im Besitz der höchsten literarischen Ehren befindet und also gar wohl zu dichten versteht. Auf der ersten Tafel stand:
    ‚Christi Blut und Gerechtigkeit
Ist mein Schmuck und Ehrenkleid;
Damit will ich bei Gott bestehn,
Wenn ich in den Himmel

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