31 - Und Friede auf Erden
erklärte mir der Wirt.
Ich hörte, daß dieser Chinese in sehr höflichen Ausdrücken bat, doch nun endlich ruhig zu sein, da es außer ihnen auch noch andere Gäste im Hause gebe und die Zeit zum Schlafen jetzt, nach Mitternacht, ja wohl gekommen sei. Ein schallendes Gelächter war die Antwort; man trommelte mit Fäusten auf den Tisch und an seine Zwischenwand und brüllte ihm die beleidigendsten Titel zu. Da ging der Wirt hinein und bat, den Wunsch des Chinesen zu erfüllen.
„Erfüllen?“ schrie einer. „Wir, die wir jetzt nach China gehen, um diese Zopfaffen zu zivilisieren, um ihnen Bildung und Klugheit zu bringen, wir sollen hier diesem Kerl Gehorsam leisten? Das ist stark! Das ist beleidigend! Das lassen wir uns nicht gefallen!“
„Das ist stark! Das ist beleidigend! Das lassen wir uns nicht gefallen!“ stimmten ihm die andern drohend bei.
„Und hier nebenan wohnt ein Deutscher, der auch schon Beschwerde geführt hat!“ führ der Wirt fort.
„Ein Deutscher? Ah, der hat vielleicht verstanden, was wir von den Deutschen gesagt haben! Er mag nur warten, denn er wird noch mehr, viel mehr zu hören bekommen! Wenn dieser Mensch schlafen will, so mag er – – –“
„Halt! Der Chinese!“ schrie ein anderer dazwischen. „Holt ihn herein! Er muß Kognak trinken und uns Abbitte tun!“
Der sich ebenso wie ich vergeblich nach Ruhe sehnende ‚Sohn der Mitte‘ war nämlich jetzt auch aus seinem Zimmer getreten. Als er uns sah, kam er auf uns zu. Er mußte da an der Tür der Leute vorüber. Der Wirt hatte sie offenstehen lassen, und so kam es, daß der Chinese bemerkt worden war. Die Gentlemen jubelten über den Vorschlag; sie kamen heraus und umringten ihn, um ihn in das Zimmer zu schaffen. Er war ein kleiner, schmächtiger Mann von wahrscheinlich geringerer Körperkraft, und sein weites, chinesisches Gewand hinderte ihn, selbst diese ganz in Anwendung zu bringen. Zwei faßten ihn am Zopf, um zu ziehen; die andern schoben. Das konnte ich nicht mit ansehen, nicht geschehen lassen! Der Wirt ließ kein weiteres Wort hören; er fürchtete sich; darum sagte ich in ernstem, doch nicht unhöflichem Ton, daß es wahrscheinlich eines Gentlemen würdiger sei, den Chinesen nicht seiner persönlichen Freiheit zu berauben.
„Wer ist dieser freche Mensch?“ fragte der, welcher vorhin den Vorschlag gemacht hatte, den Wirt.
„Der Deutsche“, antwortete der Gefragte.
„Muß auch mit herein, um Abbitte zu tun!“
Er faßte mich am Arm. Ich hatte es keineswegs mit Betrunkenen, sondern nur mit Aufgeregten zu tun; es ist fast unglaublich, welche Mengen von Alkohol dazu gehören, derartige Menschen wirklich betrunken zu machen.
„Nicht anrühren!“ warnte ich. „Laßt mich los, Sir!“
Da packte mich ein zweiter am Hals. Wir standen unweit der Treppe, welche eine gebrochene war und also nicht in gerader Linie aufwärts, beziehentlich abwärts führte. Ich stieß ihm die Faust in die Magengegend, daß er von mir weg und an die Wand flog, und riß mich von dem, der mich am Arm hielt, los. Da brüllten die anderen vier, denn es waren ihrer sechs, wütend auf und drangen auf mich ein. Ich versuchte, sie mit den Fäusten von mir abzuhalten. Da ertönte hinter mir Sejjid Omars Stimme arabisch:
„Soll ich, Sihdi? Erlaubst du es?“
„Ja“, antwortete ich. „Wir werfen sie die Treppe hinunter, alle sechs. Dann wird hier oben Ruhe!“
Indem ich das sagte, unterlief ich den mir am nächsten Gekommenen. Er hatte das nicht erwartet, und ehe er daran denken konnte, sich von meinem Griff, mit dem ich ihn über den Hüften packte und emporhob, loszumachen, flog er die Treppe hinab. Und nun war es eine Lust, meinen Sejjid arbeiten zu sehen! Er sprang um die Kerle herum, so daß sie zwischen ihn und die Treppe zu stehen kamen, und packte den ersten Besten am Schenkel und an der Brust. Ein Ruck, ein Schwung, und der Mann flog dem vor mir Expedierten nach. Ihm folgte sofort eine zweite Lieferung aus meiner und eine ebensolche aus Omars Hand. Die zwei noch übrigen Gentlemen schlugen auf uns ein. Wir wurden von einigen unschädlichen Fausthieben getroffen, auf die wir gar nicht achteten; dann ging es mit den beiden ebenso treppab wie mit den andern vier vorher.
„Das war die Arbeit, von welcher ich heut abend gesprochen habe“, lachte Sejjid Omar. „Du bist fertig, Sihdi; du sollst sie gar nicht mehr anzufassen haben, denn ich nehme sie auf mich. Ich stelle mich hier an die Treppe, und wehe dem von ihnen, der es
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