31 - Und Friede auf Erden
ihm:
„Gestatten Sie mir, daß ich einstweilen auch ein Geheimnis vor Ihnen habe! Was Sie wissen wollen, erfuhr ich auf eine Weise, von welcher ich jetzt noch nicht sprechen kann. Erweisen Sie mir den Gefallen, zu schweigen, falls wir Vater und Tochter hier treffen sollten. Sie dürfen nicht erfahren, daß ich von ihrer Absicht, hierherzukommen, gewußt habe.“
„Aber wenn Sie sie entdecken, geben Sie mir augenblicklich Nachricht?“
„Sofort!“
„Ich danke Ihnen! Und nun gehen Sie! Ich will Sie nicht abhalten, nachzuforschen, zumal ich gerade jetzt einen sehr wichtigen Besuch erwarte. Also, ich bin Doktor Tsi, der Arzt, weiter nichts!“
Wir drückten einander die Hände, und ich ging.
Als ich wieder in das Gastzimmer kam, saß da ein älterer Chinese bei einer Tasse Tee. Er war durchweg in kostbaren Ghilam (chinesisches Seidenzeug) gekleidet, doch ohne alle Rang- oder Standesabzeichen; aber es schien mir, als ob er auf seinem Hut eigentlich einen Knopf zu tragen habe. Kaum war ich eingetreten, so bezahlte er, ohne auszutrinken, und ging den Weg, den ich soeben gekommen war. Tsi wartete auf ihn.
Was ich von diesem erfahren hatte, das klang so geheimnisvoll. Jedenfalls handelte es sich um wichtige Angelegenheiten. Ich hatte nichts danach zu fragen und begnügte mich mit der Freude, meinen jungen Freund Tsi hier so unverhofft wieder getroffen zu haben.
Nun nahm ich eine Rikscha und fuhr nach den genannten drei Hotels. Es hatte in keinem derselben ein Missionar Waller nebst Tochter logiert. Aber als ich nach Hause kam und im Büro nachfragte, erfuhr ich, daß sie allerdings hier gewohnt hatten, doch bereits wieder abgereist seien. Waller war krank gewesen, so krank, daß er zwei Ärzte zu Rate gezogen hatte, und von diesen war ihm dringend geraten worden, so schnell wie möglich die niedere Küstengegend zu verlassen und Bergland aufzusuchen. Das von hier aus nächste Höhengebiet hatte man an der Nordspitze von Sumatra zu suchen, und so war er mit der Tochter und all seinem Gepäck nach Uleh-leh gegangen, von wo aus die Berge schneller und leichter als von einem Ort der Ostküste aus zu erreichen sind. Das war vor nun fast zwei Wochen gewesen; eine Nachricht hatte man während dieser Zeit nicht bekommen.
„Es kam indessen ein Brief aus Ceylon an“, fuhr der Büroschreiber fort, welcher mir Auskunft gab. „Wir haben ihn mit dem nächsten Schiff nachgesandt.“
Das war jedenfalls der Brief des Professors Garden aus Amerika.
„Nach welcher Stelle haben Sie ihn geschickt!“ erkundigte ich mich.
„Hotel Rosenberg in Kota Radscha, der Hauptstadt von Atjeh; Uleh-leh ist nur der Hafenort.“
„Das weiß ich. Der Atjeh-Fluß führt nach Kota Radscha, und außerdem ist eine Eisenbahn vorhanden. Doch, Hotel Rosenberg? Das kann nicht der richtige Name sein. Ich kenne Rosenberg persönlich. Er ist ein sehr unternehmender Kaufmann und hat lange Zeit einen in Kota Radscha von ihm selbst gegründeten Geschäft vorgestanden; aber die Rücksicht auf die Gesundheit von Frau und Kind zwang ihn, es später aufzugeben. Er lebt jetzt in Wien.“
„Das stimmt. Aber er kehrt zuweilen wieder und pflegt dann bei uns zu logieren. Jetzt steht ein Schwager von ihm an der Spitze des Geschäftes, welches mit einem Hotel verbunden ist. Wir nennen es jetzt noch immer nach dem Namen des Gründers Hotel Rosenberg.“
Nun erkundigte ich mich, nach der Art der Krankheit des Missionars, konnte aber nur erfahren, daß er außerordentlich hinfällig gewesen sei. Der Name eines der beiden Ärzte wurde mir gesagt. Ich suchte ihn per Rikscha auf und fand ihn daheim. Er teilte mir mit, daß es sich um einen besorgniserregenden Fall von Dysenterie gehandelt habe. Als Spezifikum war Ipecacuanha gegeben worden, als Diät nur Reiswasser und Marantaaufguß, durch Rizinus eingeleitet. Das waren genau dieselben Mittel, mit denen man auch in den Nilländern dieser gefährlichen Krankheit entgegentritt. Man sagt, daß Ipecacuanha gegen die Dysenterie ebenso sicher wirke wie Chinin gegen das Fieber; aber einen schon durch die Krankheit so außerordentlich geschwächten Körper durch Rizinusöl, Reiswasser und Aufguß von Arrowroot, denn Maranta ist nichts anderes als Arrowroot, aufhelfen zu wollen, das konnte ich mit meinen Erfahrungen nicht vereinigen. Ich begann, um Waller besorgt zu werden, und ging mit mir zu Rate, was zu machen sei. Sollte ich Tsi benachrichtigen? Ich hatte es ihm versprochen, und er war ja, wie er mir mitgeteilt hatte,
Weitere Kostenlose Bücher