Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
ähnliche Gedanken beschäftigten mich, als ich nach Tisch einen Gang durch Penang machte. In den Straßen und Gassen stieß ein Laden an den andern. Viele hatten gar keine Tür, weil die Vorderwand des Hauses fehlte und es an ihrer Stelle nur Tragpfosten gab. Und vor diesen Läden zogen sich zu beiden Seiten lange Reihen von feilhaltenden Frucht- und andern Händlern hin. Ich sah weder Polizei noch Militär, und doch herrschte überall eine Ordnung, welche einen erfreulichen Eindruck machte. Von dem Völkerbild sage ich nichts. Es gab dasselbe Kunterbunt der Nationalitäten wie in jeder östlichen Hafenstadt, nur daß hier Indochina vorherrschend war.
    Es war außerordentlich heiß. Plötzlich verdüsterte sich der Himmel; es drohte einer jener plötzlich hereinbrechender Platzregen, welche der Äquatorgegend eigen sind. Ich blieb stehen und schaute mich nach einem Ort um, der mir und meinem Anzug Rettung bot. Ein Hotel war nicht in der Nähe. Das sah ein an mir vorübergehender Kuli. Er blieb stehen, deutete die Gasse hinab und sagte:
    „Sablah kirri, Pilsen Birr!“
    Sablah kiri heißt so viel wie ‚links‘. Also links in dieser Straße gab es Pilsener Bier. Der Mann hatte mich ganz richtig abgeschätzt. Ich drückte ihm vor Freude ein Trinkgeld in die Hand und eilte dann die Gasse hinab. Ja, da stand linker Hand ein europäisch aussehendes nettes Haus, dessen Parterre eine Restauration enthielt. Die breite Tür hatte keine Flügel, sondern leinene Vorhänge, und das Fenster war bis oben hinauf mit Flaschen besetzt. Da konnte man auch, und zwar in deutscher Sprache, lesen: ‚Echt Hamburger Pilsener Bier‘. Ich hatte keine Zeit, stundenlang über diese sonderbare Echtheit nachzudenken, denn soeben prasselte der Regen in der Weise los, als ob an der Stelle des Himmels ein sehr weitmaschiges Sieb vorhanden sei. Ich tat einen schnellen Sprung zwischen die Vorhänge hinein und entging dadurch zwar vorn, leider aber nicht auch hinten dem drohenden Bad. Es traf, wie der biedere Erzgebirgler sich auszudrücken pflegt, der erste ‚Schwabb‘ des Regens meinen Rücken noch dergestalt, als ob mir eine Gießkanne voll Wasser nachgeschüttet worden sei. An der ‚Vorderhand‘ vollständig trocken, fühlte ich mich an der ‚Hinterhand‘ bis auf die Haut durchnäßt und wurde von dem herzlichen Lachen zweier weiblichen Stimmen empfangen, in welches ich sofort einstimmte. Die beiden saßen am Fenster; die eine, welche die Mutter war, häkelte an einer weißen Spitze; die andere, natürlich die Tochter, putzte sich eine Feder auf den Hut. Ihre Gesichtszüge und besonders ihr Lachen paßten so genau in die Gegend, wo man gern so unbefangen lustig ist, daß ich, anstatt zu grüßen, die Frage aussprach:
    „Sie sind Österreicherinnen?“
    „Ja“, antwortete die Mutter. „Kennen Sie uns?“
    „Nein.“
    „Woher wissen Sie da, daß wir Österreicherinnen sind?“
    „Weil Sie ausschauen wir Ihre Majestät die Kaiserin Maria Theresia und ein so liebes, zisleithanisches Lachen haben.“
    „Zis – – – zis – – – zis! –! Wie ist das? Wer lacht zis?“ fragte die Tochter.
    „Lassen Sie das Zis, und geben Sie mir ein Pilsener! Ist es echt?“
    „Ja, aus Hamburg. Das aus Pilsen hält sich nicht bei uns.“
    Ich kannte das. Man trinkt diese echte Pilsener aus Hamburg im ganzen Osten; die Flasche wird mit zwei, oft auch mit drei Mark bezahlt. Die Frau war Witwe. Sie erzählte mir ihre Lebensgeschichte, die aber nicht hierhergehört. Beide waren sehr musikalisch. In der Stube stand eine Pianino. Bald saß ich am Instrument und spielte. Die Damen sangen heimatliche Lieder dazu. Der Regen ging vorüber; wir musizierten aber weiter. Plötzlich schwiegen sie mitten in einer Strophe.
    „Herr Tsi!“ rief die Mutter.
    Welch ein Name! Ich schaute nach der Tür, welche in das Innere des Hauses führte. Es konnte jeder andere Chinese so heißen, aber er war es, war es wirklich! Er tat, als er mich sah, einige schnelle, fast würdelose Schritte, beinahe waren es Sprünge, auf mich zu und begrüßte mich in einer Weise, welche nicht den geringsten Zweifel übrigließ, daß er sich aufrichtig über dieses unvorhergesehene Zusammentreffen freute. Die Damen waren aufgestanden und setzten sich nicht wieder nieder. Es sprach aus der Art und Weise, wie sie uns stehend beobachteten, eine Hochachtung, welche Weiße, und besonders wenn sie Frauen sind, einem Angehörigen der gelben Rasse nicht zu erweisen pflegen. Als er

Weitere Kostenlose Bücher