31 - Und Friede auf Erden
Arzt. Aber wer dem Missionar helfen wollte, mußte ihn in Atjeh aufsuchen und vor Kapitän Wilkens gab es niemand, der dorthin ging. Man hatte also auf alle Fälle zu warten, und da eine ausführliche Mitteilung an Tsi ihn ganz unnützerweise aufgeregt hätte, so gab ich ihm durch einige Zeilen nur die kurze Nachricht, daß meine Erkundigungen nach Wallers nicht ganz erfolglos gewesen seien, ich aber bis übermorgen noch Ausführlicheres zu erfahren hoffe.
Mein Sejjid Omar befand sich in sehr gehobener Stimmung; er sagte zunächst nichts, aber ich sah es ihm deutlich an. Er pflegte über solche Dinge nicht eher zu sprechen, als bis er glaubte, sie geistig richtig untergebracht zu haben. Ich konnte überzeugt sein, daß er dann nicht versäumen werde, mir seine Mitteilungen in der ihm eigenen drolligen Wichtigkeit zu machen. Und wie gedacht, so geschah es auch!
Am Abend saß ich im offenen Vorzimmer. Die nahe Brandung predigte zu mir herüber; ein kühler Hauch bewegte die Wipfel der Bäume, zwischen denen die aufgegangenen Sterne zu mir niederfunkelten. Die Fee des Südens stieg aus den Wogen, um in den Gärten Penangs nach offenen träumenden Blumen suchen zu gehen. Da gab es nun aber einen, der die Brandung nicht hörte, die Bäume nicht beachtete, die Sterne nicht sah und von der Fee erst recht keine Ahnung hatte. Dieser eine war Omar, der siegreiche Held der heutigen Tiffinstunde (in Indien sagt man Tiffin anstatt lunch oder luncheon). Das, womit er gegenwärtig beschäftigt war, hatte freilich mit diesem seinem Heldentum nichts zu tun. Er hatte ein Licht herausgeholt und sich nicht weit von mir auf den Rasen niedergekauert, um meine hellen Schnürstiefel blank zu machen. Er tat dies in ganz ungewöhnlich liebevoller und eingehender Weise. Der Lappen flog nur so, und das Leder stöhnte förmlich. Sooft ich glaubte, daß er fertig sei, griff er immer wieder zu der Büchse mit der gelben Salbe, um von neuem zu beginnen. Dabei war auf seinem Gesicht deutlich zu lesen, daß ihn dieses abwechselnde Schmieren und Reiben, Reiben und Schmieren unendlich glücklich mache. Ein Moslem, der einem Christen mit Wonne die Stiefel schmiert. Man denke!
„Ist es noch nicht gut, Omar?“ fragte ich, als er das glänzende Werk zum sechsten oder achten Male wieder zerstören wollte.
„Nein“, antwortete er sehr energisch.
„Aber du reibst die Salbe durch; dann werden meine Strümpfe fett und gelb!“
„So ziehst du andere Strümpfe an, und ich wasche dir die gelben! Heut muß das ganze, ganze Fett hinein!“
„Oho!“
„Jawohl! Und du bist selbst schuld daran, Sihdi! Weißt du, was du getan hast? Wie einen Gentleman hast du mich behandelt, als du mir stillschweigend erlaubtest, mit den Engländern zu speisen. Weißt du, was das heißt? Als Diener habe ich dir die Stiefel nur einmal zu salben; als Gentleman aber salbe ich sie dir so lange, bis ich kein Fett mehr habe. Oder meinst du etwa, daß ein Gentleman undankbar sein darf? Wenn ich dich nicht hätte, so wäre ich noch der alte Sejjid Omar, der ich früher war, und wenn ich dieser wäre, so hätte mich kein General heut eingeladen, mit ihm und seinem Harem zu speisen. Das habe ich doch nur dir, nicht mir zu verdanken!“
„Hoffentlich hast du keinen allzu großen Fehler gemacht!“
„Fehler? Ich weiß nicht, denn ich weiß, daß ich nur ein armer Eselsjunge bin; aber der Harem des Generals hat sie gemacht.“
„Wieso?“
„Er wollte mich als Diener haben und hat mir mehr geboten, als du mir gibst. Da habe ich geantwortet, wenn man das noch einmal sage, so müsse ich aufstehen und fortgehen, denn es habe noch niemals einen Diener gegeben, der einen solchen Herrn gehabt hat, wie du bist, Sihdi. Ich sagte ihnen, daß ich dir nicht bloß diene, sondern dich auch liebe; ich bin dir also nicht bloß aus Pflicht, sondern auch aus Liebe treu und werde dich für alles Geld der Erde nicht verlassen. Da drückte mir der General die Hand und forderte mich auf, dir zu sagen, daß er sehr bedaure, daß du kein Engländer seist. Am meisten hat ihm gefallen, daß mir sein Harem gefallen hat. Ich habe ihm das ganz aufrichtig gesagt. Bei den Christen sind die Frauen klüger als bei uns, und ich glaube, das ist der Grund, daß dort auch die Männer mehr wissen, als die unserigen wissen.“
„So, meinst du, daß die Männer von den Frauen lernen können?“ fragte ich. „Das wäre ja ein Gedanke, der bei einem Moslem ganz unmöglich ist!“
„Ich habe jetzt nicht als
Weitere Kostenlose Bücher