31 - Und Friede auf Erden
draußen gestanden und gewartet, jetzt kam er herein und sagte:
„Dieser Inglis hat mich aber doch hinausgeworfen!“
„Was? Hinausgeworfen?“
„Ja, aber nicht aus Zorn, sondern vor Freude.“
„Wieso?“
„Als ich das von der Chair-and-umbrella-pipe sagte, fragte er mich wirklich ganz so, wie du dachtest, woher du sie kennst. Als er dann erfuhr, daß du auf Ceylon und auf dem chinesischen Schiff dabeigewesen seist, da sprang er auf und rief: ‚Das kann nur mein alter, lieber Charley sein!‘ Dann packte er mich an, warf mich zur Türe hinaus, sich selber aber auch mit, und rannte nach der Treppe. Der andere Inglis rief ihm nach, er solle doch erst den Rock anziehen, aber er hörte gar nicht darauf. O, Sihdi, diese Inglis müssen sehr gute Menschen sein, weil sie dich so liebhaben! Ich bin nur froh, daß ich ihnen die fünf Pfund nicht wiedergegeben habe; das hätte sie denn doch vielleicht gekränkt!“
„Es sind zwei Engländer vom höchsten Adel, Omar. Sei also höflich, sehr höflich mit ihnen!“
„Du brauchst keine Sorge zu haben, Sihdi! Mein Adel ist von Mohammed, also weit über tausend Jahre alt, und adelig sein, das kann man bei uns nicht, ohne auch höflich zu sein! Ich weiß nicht, wie das bei den andern Völkern ist!“
Als ich hinaufkam, standen wohl sieben oder acht Kellner da. Meine beiden Gastfreunde waren also im Hotel hoch geschätzt. Ich wurde mit einer so aufrichtigen Freude und einer so wohltuenden Güte empfangen, daß ich mich sofort wie bei Verwandten fühlte, bei denen man zu Hause ist. Man stürzte nicht mit Fragen über mich her; es wurde sogleich gegessen. Es lag überhaupt nicht in der Art dieser beiden Männer, viel Worte zu machen. Was man ihnen nicht ungefragt sagte, das gab es für sie nicht. Natürlich erkundigte ich mich nach dem Schiff, mit welchem sie gekommen seien.
„Schiff?“ antwortete Raffley. „Ach, das weiß dieser Charley noch gar nicht. Kommt schnell heraus nach dem vorderen Raum! Da seht Ihr es liegen.“
Er zog mich hinaus, wo man zwischen den Baumkronen hindurch den Hafen sehen konnte, was unten bei mir nicht der Fall war. Er deutete mit der Hand in die betreffende Richtung, und da sah ich, weit entfernt von der Stelle, an welcher der Platz der ‚Coen‘ gewesen war – die ‚Yin‘ vor Anker liegen.
„Also doch, doch, doch, die ‚Yin‘!“ rief ich voller Freude aus. „Ich habe es mir gedacht und konnte es doch fast nicht glauben!“
„Ihr kennt den Namen?“
„Ja. Ich sah sie in den Hafen kommen, hell und leicht und schön wie eine Nymphe! Ein Fahrzeug, wie ich noch keins gesehen habe!“
„Freut mich, freut mich, Charley! Ist ganz nach meinen eigenen Angaben entworfen und gebaut!“
„Aber es wurde doch nur ein Mann im Boot abgegeben; dann gingt ihr wieder fort!“
„Weil ich den Ankerplatz nicht kannte. Mußte mich erst erkundigen, an welcher Stelle ich die Kette fahren lassen konnte, und bin inzwischen wieder hinausgedampft und dann zurückgekehrt. Kommt wieder herein! Müssen auf diese meine ‚Yin‘ ein Glas leeren!“
Wir gingen zu dem Governor zurück und stießen mit ihm auf die Jacht an; er tat bereitwillig Bescheid. Raffley füllte die Gläser wieder und sagte:
„Und nun auf das Wohl einer andern ‚Yin‘, die mir noch tausend-, tausendmal teurer als diese ist! Ich bitte, bis auf den letzten Tropfen leer!“
Ich folgte natürlicher dieser Aufforderung; der Governor aber warf Raffley einen verweisenden Blick zu und rührte das Glas nicht an.
„Well! Ganz wie Ihr wollt!“ meinte dieser entschuldigend und begütigend. „Ich werde meine Wette aber doch gewinnen!“
Was war das für eine ‚andere Yin‘? Und was war das für eine Wette? Es gab da einen Punkt, in welchem beide nicht übereinstimmten. Und es mußte sich um mehr, um viel mehr als um eine bloße Wette handeln. Wer, wie der Governor, einer solchen Aufforderung nicht Folge leistet, der macht sich einer Beleidigung schuldig, welche nach den Gesetzen der Kreise, denen diese beiden angehörten, sonst nur einen blutigen Ausgang nehmen kann. Wie kam es, daß Raffley, der in bezug auf Ehrensachen so außerordentlich empfindliche Edelmann, sie in so ruhiger, ja sogar in begütigender Weise hingenommen hatte? War er sich vielleicht einer Schuld bewußt? Ganz gewiß nicht! Dieser Mann trug trotz aller seiner Eigenheiten nicht eine Spur der Möglichkeit in sich, irgend etwas zu tun, was im Kodex der guten Gesellschaft als unerlaubt bezeichnet wird. Es konnte
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