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310 - Auf gewagtem Kurs

310 - Auf gewagtem Kurs

Titel: 310 - Auf gewagtem Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stern
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weiße Lupa bedrohte sie nicht. Sein weiches Fell sah so verlockend aus. Sie wollte gern ihre Hand darin vergraben, doch sie fürchtete, der mutierte Wolf würde sich in Luft auflösen, wenn sie ihn berührte. Er senkte den mächtigen Schädel mit dem schwarzen Wirbel auf der Stirn und sah ihr tief in die Augen.
    Er wollte etwas von ihr. Es gab einen Auftrag, den die Götter selbst durch ihren Boten an sie herantrugen.
    Ich komme , formulierte sie tonlos mit Lippen und Zunge. Ich komme mit dir.
    Als habe er sie verstanden, drehte das Tier sich um und verschwand im Gras. Sie hetzte hinterher. Das Lager und ihre Schwestern waren vergessen. Hartes Gras schnitt wie gespannte Metallfäden in ihre Schienbeine und Unterarme, überall dort, wo die Metallschützer endeten. Dünne Blutfäden breiteten sich auf der verletzten Haut aus.
    Evaluuna kümmerte sich nicht darum. Hartnäckig verfolgte sie das stolze Tier, das immer wieder im Laufen innehielt und auf sie zu warten schien. Das silberweiße Fell blitzte deutlich sichtbar im Nachtgrün auf. Wenige Minuten verstrichen auf diese Weise. Bald schon erreichte sie einen nahen Wald, der sich in der entgegengesetzten Richtung der Ringfeste befand und an hohe Felsen anschloss. Sie stolperte zwischen die Bäume. Schweiß bedeckte ihren Körper. Der lange Spurt durch das unwegsame Gelände machte sich in jedem Knochen bemerkbar.
    Keuchend blieb Evaluuna stehen. Der Lupa saß mit der Ruhe eines Berges unter einem Riesenfarn. Kluge Augen richteten den Blick auf sie. Dann setzte er sich wieder in Bewegung, sprang zwischen zwei mächtigen Tannen hindurch, und sie stand allein mitten im Wald.
    Zum ersten Mal seit ihrem überstürzten Aufbruch wurde ihr bewusst, dass sie so gut wie schutzlos war. Keine ihrer Schwestern würde auf die Idee kommen, sie könnte in den Wald gerannt sein.
    » Warte!« , rief sie dem Lupa nach – und schrak zusammen, als sie ihre eigene Stimme hörte.
    Sie hatte ihre Sprache wiedergefunden! Ein übermächtiges Glücksgefühl überkam Evaluuna. Oder war das alles nur ein Traum? Fast kam es ihr so vor.
    Auch dass sie dem Lupa nun ohne Zögern folgte, erschien ihr seltsam unwirklich. Als wüsste sie im tiefsten Inneren, dass sie nichts zu befürchten hatte.
    Als sie auf die Höhe der beiden Tannen kam, schien es ihr, als würden die mächtigen Bäume ein Tor zu einer anderen Welt bilden. Die Luft in der Mitte der Stämme schien schwarz zu flimmern.
    Und dann trat zwischen den Bäumen eine Greisin hervor. Ihr leicht gebeugter Rücken, das weiße verfilzte Haar und die gelblich braune Pergamenthaut waren Evaluuna bekannt. Auch die Augen, so weise wie Mutter Erde selbst, hatte sie bereits erblickt. Sie ging auf die Knie vor Ehrfurcht.
    Das Auge Wudans , hauchte sie auf ihre stille Weise. Du bist es, die mich rief.
    Aus den Augenwinkeln sah sie den Lupa, der im Schatten der Bäume wartete. Offensichtlich hatte die Alte ihn abgerichtet. Vielleicht war die mächtige Schamanin sogar in der Lage, mit ihm in Gedanken zu sprechen, so wie es von Ludmeela und ihren Gerfalken behauptet wurde. Evaluuna erinnerte sich an das Gerücht, das Auge Wudans könne durch die Augen der Tiere sehen.
    Die Greisin trat näher und legte die Hand wie zum Segen auf Evaluunas Scheitel. Reine Energie strömte aus ihren Fingern und vertrieb die Müdigkeit in ihren Knochen und Muskeln. »Steh auf, Mädchen. Wudan hat eine Aufgabe für dich.«
    ***
    Am nächsten Abend
    Matts Kaumuskeln spannten sich, während er Tumaara am vereinbarten Treffpunkt an der Ruine zuhörte. Die Kriegerin sah betreten auf den schilfbewachsenen Boden hinab. »Ich würde dir gern bessere Nachrichten bringen, Maddrax, aber ich habe sie nicht. Juneeda lässt sich nicht umstimmen, und auch die anderen Kriegerinnen, auf die ich hoffte, wollen nicht gegen die Königin handeln. Glaub mir, ich habe mehr als eine Kriegerin gefragt, in alle Richtungen meine Fühler ausgestreckt. Doch Juneeda ist nicht auf unserer Seite. Ohne sie gewinnen wir keinen Rückhalt. Es ist aussichtslos.«
    »Dann wird es also keinen Telepathenkreis geben.«
    »Ich sehe keine Möglichkeit. Juneeda hat auf Aruulas Wunsch verwiesen und auf das Schicksal des ersten Telepathenzirkels.«
    Matt schloss die Augen. Auch er wusste davon, obwohl er damals nicht auf der Erde gewesen war, sondern den Krieg gegen die Daa’muren am Kratersee von der Internationalen Raumstation aus koordiniert hatte.
    Damals war es darum gegangen, die Daa’muren auszuspionieren.

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