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312 - Die dunkelste Stunde

312 - Die dunkelste Stunde

Titel: 312 - Die dunkelste Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
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Sensorwerten. Alles ruhig. Keine Barschbeißer oder sonst eine Gefahr im Anmarsch.
    Sie lehnte sich im Pilotensessel zurück und schloss die Augen. Wie schwerer Nebel waberten die Gedanken durch ihren Kopf, verzerrten die Geräusche der sich darin verbergenden Tiere.
    Das Stampfen der Dornenbeine. Das Krächzen urwelthafter Vögel. In Schwärmen kreisten sie am Himmel, ließen die Welt unter ihnen nicht aus den Augen. Jederzeit bereit, herabzustoßen und ihre Beute mit scharfen Krallen zu zerreißen. Das Summen von Insekten. Das träge Brummen von Fliegen mit fingerlangen Saugrüsseln. Und das aggressive Sirren moskitoähnlicher Tiere mit unstillbarem Blutdurst.
    Das Sirren wurde lauter. Immer lauter. Es kam direkt auf Mariann zu. Und da schoss einer der kleinen Plagegeister aus dem Nebel hervor.
    Die Marsianerin wollte aufspringen und davonlaufen – aber sie steckte bis zu den Knöcheln in einem Sumpf fest! Sie zog und zerrte, bis die zähe Masse einen Fuß mit schmatzendem Geräusch entließ. Doch bereits beim nächsten Schritt sank sie wieder ein.
    Der Riesenmoskito tauchte vor ihrem Gesicht auf, umschwirrte sie noch zweimal und zuckte auf sie zu. Sie öffnete den Mund zum Schrei. Ein fataler Fehler! Das Insekt flog in ihren Mund und...
    ...Mariann fuhr hustend im Pilotensessel hoch.
    Ihr Herz raste. Schuldbewusst sah sie sich um. Sie war eingeschlafen – und das während der Wachschicht!
    Sie blickte auf den Chronometer und seufzte erleichtert. Es waren nur ein paar Minuten gewesen. Aber die hatten ausgereicht, ihr den schlimmsten Albtraum ihres Lebens zu verpassen.
    Noch einmal hustete sie. Sie hatte einen fürchterlichen Geschmack im Mund. Fast fühlte es sich an, als hätte sie tatsächlich etwas verschluckt. Wenigstens war von dem unangenehmen Kribbeln zwischen ihren Schulterblättern nichts mehr zu spüren...
    ***
    Auf den Dreizehn Inseln – nahe Vergangenheit
    »Mir ist kalt«, sagte Orlaando.
    Im nächsten Augenblick schämte er sich dafür, wie weinerlich seine Stimme klang. Er wollte vor der Frau, die auf der anderen Seite des ersterbenden Feuers saß, nicht schwach erscheinen. Was war nur aus seiner Selbstsicherheit geworden?
    Die Frau stieß ein unwilliges Brummen aus. Mit ihren struppigen Haaren und dem dreckstarrenden Gesicht sah sie gewiss nicht wie eine Königin aus. Und doch war sie genau das. Für das Volk der Dreizehn Inseln und für ihn persönlich.
    »Dann deck dich mit Laub zu«, sagte sie. »Etwas anderes haben wir nicht.«
    Er stand von dem kleinen Felsen auf und sah sehnsuchtsvoll nach oben. Zur drei oder gar vier Körperlängen entfernten Decke der Höhle, die sie seit Wochen – oder waren es schon Monate? – nicht mehr verlassen hatten. Und zu dem winzigen Flecken eines wolkenverhangenen Himmels, den er am Ende eines steilen Kamins erblickte.
    Dort oben lag die Freiheit. So nah und doch unerreichbar.
    Ein paar einsame Schneeflocken taumelten ihm entgegen wie zuvor das Herbstlaub, das der Wind in die Öffnung wehte.
    Orlaando schloss den Mantel fester vor der Brust und schlurfte auf die andere Seite der Höhle, wo sie ihr Feuerholz aufbewahrt hatten. Das letzte Scheit des Vorrats lag seit einigen Minuten im Feuer. Wenn es erlosch, gab es nichts mehr, was die Kälte verscheuchen konnte.
    Wenigstens mussten sie nicht an Hunger und Durst sterben. Tiefer in der Höhle gelegen gab es eine unterirdische Quelle, und mit Nahrung wurden sie in unregelmäßigen Abständen versorgt. Außerdem gab es hier unten essbare Pilze und Wurzeln, und schon zweimal war ein unvorsichtiger Gerul in das Loch gestürzt und auf ihrem Bratspieß gelandet. Nun hatten sie sogar den Spieß verfeuert und mussten frieren.
    Vielleicht haben wir ja ein Stück übersehen...
    »Gib dir keine Mühe. Da ist nichts mehr. Ich habe schon zweimal nachgesehen«, sagte Aruula.
    Trotzdem konnte er sich einen heimlichen prüfenden Blick nicht verkneifen. Dann kehrte Orlaando zu seinem Felsbrocken zurück und setzte sich. Er starrte in die Flammen, und seine Gedanken wanderten in die Vergangenheit. Einmal mehr verfluchte er seine Dummheit, die sie geradewegs in die Gefangenschaft geführt hatte.
    Vor seinem geistigen Auge sah er die Priesterin Juneeda vor sich, die ihm damals erklärt hatte, dass...
    »... die Königin gestorben ist. Und Aruula, die sie als ihre Nachfolgerin auserkoren hat, ziert sich, ihre Berufung zu akzeptieren. Sie will sich nach Kalskroona zurückziehen, um in aller Ruhe darüber nachzudenken. «
    » Und was

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