312 - Die dunkelste Stunde
erst einmal erwacht war und sah, dass er sie gerettet hatte, würde sie ihre Meinung gewiss ändern und sein Flehen erhören.
Behutsam nahm Orlaando sie auf und trug sie...
...in die Kälte der Höhle.
Die Flammen waren inzwischen erloschen. Nun stemmte sich nur noch die Glut gegen die sinkenden Temperaturen. Ein aussichtsloser Kampf.
Orlaandos Blick suchte den seiner Königin, aber sie erwiderte ihn nicht. Retten hatte er sie wollen – und sie stattdessen von einem Grab ins nächste geführt. Und das ließ sie ihn nun deutlich spüren.
Mit dem Wasser der unterirdischen Quelle hatte er ihre Wunden gesäubert und sie gewaschen – ein Gedanke, bei dem sein Verlangen erneut erwachte. Unbehaglich ruckelte er auf dem Felsen hin und her.
Inzwischen hatte er einsehen müssen, dass sie ihn wohl nie zu ihrem Gefährten machen würde. Schon als sie nach einem Tag der Bewusstlosigkeit aufwachte, lautete ihr erstes Wort: »Maddrax!«
Orlaando wusste nicht, wer dieser Maddrax war. Später hatte sie nie wieder von ihm gesprochen, aber er hatte das Gefühl, dass dieser fremde Mann zwischen ihnen stand.
Danach hatte sie erneut das Bewusstsein verloren und...
...erwachte erst nach Stunden zum zweiten Mal. Diesmal fragte sie nach ihrem Schwert.
Er konnte sich nicht erinnern, ein Schwert bei ihr oder dem Dämon gesehen zu haben. Aber er war sich nicht sicher. Also machte er sich auf den Weg zurück zu dem Erdloch, aus dem er sie gezogen hatte. Die ganze Umgebung suchte er ab, wieder und wieder. Vergebens.
Einmal hörte er ein Geräusch in den Brabeelenhecken und glaubte für einen Augenblick, der Dämon sei zurückgekehrt, doch als nach einigen Minuten nichts geschehen war, entspannte er sich wieder.
Er bedauerte, seiner Angebeteten das Schwert nicht zurückbringen zu können, wollte aber wenigstens noch Heilkräuter sammeln, von denen er wusste, dass sie in der Nähe wuchsen. So manche Kriegerin vom Volk der Dreizehn Inseln hielt ihn für einfältig: schönes Gesicht, muskulöser Körper, aber wenig Verstand. Und er musste zugeben, dass er beim Denken manchmal etwas langsamer war als andere.
Dennoch hatte er stets gut aufgepasst, wenn seine Mutter, eine Heilerin, ihn zum Kräutersammeln mit in den Wald genommen hatte. Inzwischen hatte Wudan sie zu sich geholt, aber noch immer wusste er, wie man wundreinigende Umschläge, Heilpasten und fiebersenkende Tränke herstellte.
Er wollte sich gleich einen großen Vorrat anlegen, denn auf den Dreizehn Inseln konnte man nie sagen, wie schnell der Herbst in den Winter überging.
Gerade als er sich nach einem Büschel Vierzehenkraut bückte, ertönten Schritte hinter ihm. Er fuhr herum – und schaute in Aruulas Gesicht.
» Du? « , entfuhr es ihm. » Du darfst noch nicht aufstehen. Dazu bist du zu schwach. «
» Ich bin nicht schwach. « Ihre leise Stimme verriet das Gegenteil.
» Du hättest in der Höhle bleiben sollen. «
» Höhle? « Sie wirkte verwirrt.
Natürlich! Wie dumm von ihm! Sie wusste ja nicht, dass er sie gerettet hatte. Sicherlich hatte sie sich nach dem Erwachen gefürchtet, so allein in einer unbekannten Umgebung. » Woran kannst du dich erinnern? «
Sie sah sich um, dann schüttelte sie den Kopf. » Ich weiß es nicht. Bitte hilf mir! Was ist geschehen? «
» Ein Dämon hat dich schwer verletzt und verscharrt. Aber ich habe dich wieder ausgegraben. «
» Und in die Höhle gebracht? «
Er nickte aufgeregt. » Du brauchst keine Angst zu haben. Dort wird uns Orguudoos Scherge niemals finden. Wie bist du hierher gekommen? «
» Ich... ich weiß nicht. Ich bin einfach rausgelaufen und... und... «
» Schon gut. Ich werde dich wieder hinführen. «
Er wollte nach ihrer Hand greifen, doch sie zuckte zurück. » Ich bin kein kleines Mädchen! «
Also ging er vor und sie folgte ihm. Über unwegsames Gelände, durch einen dichten Wald, an dem schmalen Bach entlang.
» Wir sind gleich da. Dort vorne liegt sie « , sagte er schließlich.
» Warte! «
Er drehte sich zu ihr um.
» Erzähl mir mehr von der Höhle. Sind wir dort drin nicht gefangen, wenn uns der Dämon doch aufspürt? Gibt es mehr als einen Ausgang, sodass wir fliehen können? «
» Nein, nur den einen « , gab er zu. » Und einen Kamin in der Decke der Haupthöhle. Aber der ist zu steil, um durch ihn zu entkommen. «
» Das heißt, wenn wir einmal drin sind, sitzen wir fest? «
» Nun ja... schon. Aber du brauchst dir keine Sorgen machen. Er wird uns dort nicht finden! «
» Meinst du?
Weitere Kostenlose Bücher