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312 - Die dunkelste Stunde

312 - Die dunkelste Stunde

Titel: 312 - Die dunkelste Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
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nicht mehr erschienen. Die Medikamente und die Zeit seit seinem Tod hatten die Erinnerungen an ihn unterdrückt. Doch seit man Dexter als Mannschaftsmitglied für die AKINA rekrutiert, seit man ihn regelrecht verschleppt hatte, gab er sich wieder häufiger die Ehre.
    Er sah aus wie früher mit seinen strubbeligen schwarzen Haaren und dem Pigmentstreifen, der quer über den schmalen Nasenrücken lief wie die Kriegsbemalung eines Indianers aus den alten Filmen des BRADBURY-Archivs. Ein ganz normaler Junge von sechs Marsjahren. [6]
    Ein ganz normaler toter Junge.
    Dexter spürte, wie die Pillendose in seiner Beintasche gegen den Oberschenkel drückte. Das Verlangen nach der nächsten Tablette wurde schier übermächtig, obwohl er die letzte gerade einmal vor fünf Stunden eingenommen hatte.
    Am liebsten hätte er ihm zugerufen: »Und es gibt sie doch, die Monster im Weltraum! Verborgen in der Dunkelheit des Alls! Ich habe es von Anfang an gewusst!«
    Was natürlich keine gute Idee war, weil ihn dann die restlichen Besatzungsmitglieder für geisteskrank hielten.
    Als hätte es dich jemals geschert, was andere von dir denken.
    » ... Status?«, drang Asgan Pourt Tsuyoshis Stimme in Dexters Welt.
    Morgan lächelte, winkte ihm noch einmal zu und verschwand.
    »Hören Sie mir überhaupt zu?«, verlangte der Kommandant zu wissen.
    »Was? Ja, klar.«
    »Also?«
    »Also was?«
    »Wie ist der Sondenstatus?«
    Tsuyoshi stand im Zentrum der Brücke, um alles genauestens im Blick behalten zu können. Er wirkte beunruhigt. Als warte er auf etwas. Oder als wisse er von Dingen, die er seiner Crew vorenthielt. Warum? Um sie nicht zu beunruhigen? Oder weil sie sonst die Teilnahme an dieser Mission verweigert hätten?
    Sicher hing es mit dem letzten Funkkontakt zum Mars zusammen. Es sei zu Ausschreitungen gekommen, hatte Tsuyoshi ihnen danach erklärt. Zu Vorfällen und Übergriffen . Gewiss würde sich die Situation bald wieder beruhigen. Er hatte sich angehört wie ein Politiker, der Nachfragen nur mit weiteren Floskeln erschlug.
    »Wir müssen unsere Aufgabe in diesem Teil des Sonnensystems erfüllen«, beendete er die Diskussion. »Was in anderen Teilen geschieht, darf uns jetzt nicht interessieren.«
    Danach hatten sie auf dem Mars niemanden mehr erreicht. Und wieder verweigerte Tsuyoshi jede Auskunft. Stattdessen gab er den Befehl, mit der AKINA einen Erkundungsflug zu starten.
    Vier Marsianer waren auf dem Erdmond zurückgeblieben, um den Virtuellen Cortex zu bedienen und den Kontakt mit dem Schiff zu halten. Deshalb bestand die Crew aus lediglich sechs Personen. Zu wenig, um auch nur einem eine Freischicht zu gewähren.
    Nicht, dass sich seit ihrem Start etwas ereignet hätte, was ihrer aller Anwesenheit erforderte. Aber man musste ja allzeit bereit sein...
    »Sonden sind aktiv und abschussbereit«, antwortete Dexter. So wie die letzten siebenundachtzigmal, als du mich gefragt hast. Und wenn es endlich ein Ziel gäbe, könnten wir sie auch einsetzen.
    »Rotley?«, sprach der Kommandant die für die Kommunikation zuständige Marsianerin an.
    »Der Virtuelle Cortex kann die Störung noch immer nicht optisch erfassen«, gab Ravana Rotley die Meldungen von der Mondstation weiter. »Sie scheint aber langsamer zu werden.«
    »Kurskorrektur vornehmen«, wandte er sich an die Erste Pilotin.
    Leda Raya Braxtons sorgfältig manikürten Finger huschten über die Steuerungskonsole. »Kurs an neue Daten angepasst«, bestätigte sie.
    Mit ihrem perfekten Outfit und Make-up sah sie aus, als wäre sie auf dem Weg zu einem Rendezvous.
    Ist sie auch. Mit dem Streiter! Ich bezweifle allerdings, dass er ihre exotische Schönheit zu würdigen weiß.
    Dexter versuchte vergeblich, eine bequemere Lage in seinem Sessel zu finden, und studierte die Anzeigen der Sondenrampen. Er hätte den Abschusswinkel an den neuen Kurs anpassen müssen. Aber solange Tsuyoshi nicht den Befehl gab, ließ er den...
    »Warum hast du mich umgebracht?«
    Er fuhr so heftig in seinem Sitz hoch, dass der Kommandant ihn streng musterte, aber gleich zurück zu seiner Pilotin sah.
    Als Dexter sich unbeobachtet wähnte, blickte er zur Seite. Zu der Stimme, die er gehört hatte. Neben seinem Sessel stand Morgan, sein toter Bruder. Schon wieder. Instinktiv krochen Dexters Finger zu der Pillendose in der Beintasche.
    »Warum hast du mich umgebracht?«, fragte der Junge erneut.
    Bisher hat er noch nie gesprochen!
    »Es tut mir leid«, antwortete er so leise, dass niemand es hören

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