312 - Die dunkelste Stunde
Temperatur aufrechtzuerhalten.
Nun ja, letztlich hatten sie es auch ohne ihn geschafft. Und zum ersten Mal seit Tagen war sogar Ruhe eingekehrt und alles folgte seinem geplanten Ablauf. Der größte Teil der Außenarbeiten war abgeschlossen und sie hatten sich endlich wieder alle in den Flächenräumer zurückziehen können.
»Morgen oder übermorgen dürfte die Membran völlig ausgehärtet sein«, sagte Quart’ol. »Dann müssen wir noch mal raus, um die Feldstabilisatoren für die neue Abstrahlrichtung zu konfigurieren.«
»Wie lange wird das dauern?«, fragte Matt.
»Drei, vier Tage.«
»Wir sollten uns bald überlegen, wie wir den Streiter treffen wollen«, wandte Clarice Braxton ein.
Der Mann aus der Vergangenheit nickte. Bisher hatte er den Gedanken vor sich hergeschoben, doch allmählich wurde es Zeit, auch dieses Problem anzugehen.
»Können wir?«, erklang Xijs Stimme hinter ihm.
Er drehte sich um. »Können wir was?«
»Wachschicht!«
»Ist es schon so weit?«
»Noch weiter! Die arme Mariann sitzt draußen und wartet auf Ablösung.«
Matt hüllte sich in die Thermokleidung und verließ mit Xij die Anlage. »Warum ist sie nicht runtergekommen und hat uns gesagt, dass wir uns verspätet haben?«, fragte er, als sie vor dem Bionetikaufzug standen.
»Vielleicht wollte sie ihren Posten nicht verlassen.«
Er sagte nichts dazu, aber plötzlich überkam ihn ein merkwürdiges Gefühl.
Mariann Braxton hatte in den letzten Tagen häufiger über Übelkeit geklagt. Das hatten sie aber darauf zurückgeführt, dass sie und Sinosi Gonzales, die sich zum ersten Mal auf der Erde aufhielten, inzwischen zeitweise ihre Atemmasken wegließen, um sich an die Erdluft zu gewöhnen. Hier am Pol war die Luft absolut keimfrei und für die Akklimatisierung bestens geeignet.
Wenn jemand Mariann vorschlug, sich ein paar Minuten auszuruhen, lächelte sie nur tapfer und bestand darauf, ihre Pflichten zu erfüllen.
Sie ließen sich von dem Bionetikschlauch nach oben transportieren. Sofort sahen sie, dass etwas nicht stimmte: Das Einstiegsschott des Shuttles stand sperrangelweit offen.
Matt steckte den Kopf hinein. »Mariann?«
Eine Antwort blieb aus.
Er wollte gerade einsteigen, als Xij sagte: »Schau mal!«
Der Schnee vor dem Shuttle war flachgetreten und von Fußspuren übersät. Außerdem führte ein Pfad bis zur Eisspalte. Xij Hamlet jedoch zeigte auf Spuren, die sich in die andere Richtung entfernten.
»Sind die frisch?«, fragte Matt.
»Woher soll ich das wissen? Bin ich Fräulein Smilla? Lass uns nachsehen.«
Sie zogen ihre Blitzstäbe und folgten den Abdrücken auf einen sanften Hügel zu. Die Kälte biss in Matts Lungen und ließ seine Nasenhaare gefrieren. Bei jedem Atemzug kondensierte die Luft vor seinem Mund.
Sie erklommen die leichte Steigung.
Wie angewurzelt blieb Xij stehen. »Ach du Scheiße!«
Der Schock des Anblicks traf Matt wie ein Tritt in die Magengrube.
Mariann Braxton war tot. Sie lag inmitten eines Felds aus blutrotem Schnee. Sie war nicht einfach gestorben, sondern etwas hatte sie regelrecht zerfetzt.
»Barschbeißer!«, stöhnte Matt.
Aber Xij schüttelte den Kopf. »Glaub ich nicht. Es führen zwar blutige Spuren von der Leiche weg...«, sie rang hörbar um Fassung, »aber bis auf ihre eigenen führen keine hin.«
Ungläubig starrte Matt auf das Schlachtfeld. Xij hatte recht! Aber das konnte nur bedeuten, dass...
»Der Angreifer ist aus Mariann herausgebrochen«, sagte sie. Dann flüsterte sie etwas, das Matt nicht verstehen konnte. Er glaubte aber, den Satz von ihren Lippen abgelesen zu haben.
Wie in Alien!
***
An Bord der AKINA
Dexter Wang beneidete Ravana Rotley.
Sie hatte es hinter sich. Er wusste nicht, was sie zu der Wahnsinnstat getrieben hatte, aus dem Schiff zu fliehen. Vielleicht waren auch ihr die Geister der Vergangenheit erschienen und hatten sie gequält. Doch was es auch gewesen sein mochte, nun hatte sie Frieden gefunden.
Ihre Leiche trieb für alle Zeiten im All. Oder zumindest, bis die Gravitation eines anderen Himmelskörpers sie erfasste. Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass das geschah? Vor kurzem hätte er das sicher noch berechnen können, doch nun fiel es ihm schwer, sich zu konzentrieren.
Er stutzte. Wo war er in Gedanken stehen geblieben? Ach ja, bei ihrem Körper, der durch den Weltraum schwebte. Bis in alle Ewigkeit. Umgeben von kalter, gnadenloser Schwärze. An einem Ort, an dem das Böse hauste. Allgegenwärtig in der Finsternis.
Nein,
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