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313

313

Titel: 313 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Tewaag
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dritt drin, aber es kann wohl auch passieren, dass du da zu zehnt oder zwölft hockst. Wir dürfen nicht rauchen, nicht trinken, nicht essen, du darfst überhaupt nichts. Du darfst nur da sitzen. Kann sein, dass du vier Stunden wartest, aber der Gefesselte hat auch von Leuten gehört, die acht Stunden hier verbracht haben. Darum versuchen einige Gefangene zu vermeiden, zum Arzt zu gehen. Die halten das nicht aus. Ich schaue aus dem Fenster in einen Innenhof, dort ist die Mauer bunt angemalt, im Sandkasten steht eine Schaukel, der »Frauen mit Kind«-Knast. Danach ist Röntgen. Dann heim.
    Auf der Rückfahrt philosophieren der Gefesselte und ich ein bisschen über Frauenknast und wie die Mädels dort so drauf sind. Offensichtlich ist es so, dass sie unter diesen Bedingungen kein Blatt mehr vor den Mund nehmen. Draußen wollen Frauen ja eher nicht als Objekt angesehen werden, aber drinnen machen sie ganz bewusst einen auf Schlampe, wenn sie mit dir in Kontakt kommen. Um dich zu provozieren, um Aufmerksamkeit zu kriegen.
    Der Gefesselte meint, dass Frauen hinter Gittern einfach notgeiler sind als Männer.
    Und ich: »Warum sind die denn so heiß?«
    »Weil die sich’s nicht besorgen können, Alter. Die kriegen nicht mal ’ne Gurke ausgehändigt. Das wird denen alles klein geschnitten.«
    »Echt?«
    »Die Vaginalen sind eben schlechter dran als die Klitoralen. Die müssen sich erst was bauen.«
    »Wie, was bauen?«
    »Es haben schon Mädels angefangen, sich aus Haarschneidern Vibratoren herzustellen. Aber so was wird halt weggenommen. Bei Zellenkontrollen. Alles, was in die Richtung geht und als Stäbchen benutzt werden könnte, wird weggenommen.«
    »Verstehe ich nicht. Warum?«
    Er: »Die sagen, wegen Hygiene.«
    Ich denke, jetzt könnte ich auch mal die Beamten im Fahrerhaus mit ins Gespräch einbeziehen.
    »Haben Sie das gehört?«, rufe ich so durchs Gitter. »Das ist doch gemein. Uns werden ja auch nicht die Hände auf den Rücken gefesselt.«
    Der Beamte, dessen Kumpel angeblich im Frauenknast zu tun hat, dreht sich um.
    »Aber ihr seid doch diejenigen, die den Mädels die Gurken klein schneiden!«
    Und ich so: »Das würde ich doch nie machen, Herr Beamter.«
    Er: »Aber sicher. Die Frauenanstalt wird von der Männeranstalt bekocht. Ihr schneidet denen das Zeug klein. Außerdem sind Möhren beliebter als Gurken, die sind fester und halten länger. Und jetzt ist hier Ruhe.«
    Den Abend verbringe ich auf der Zelle von Dragan und Miro. Es gibt Nudeln mit Käse. Danach rufe ich wieder meine Süße an. Als ich von der Telefonzelle aus ein Kaninchen über die Wiese hoppeln sehe, denke ich, dass sie die angenehmsten Häftlinge sind. Denen würden die Möhren auch geschnitten Spaß machen.

4
    Es sind jetzt drei Wochen vergangen. Sieben Tage die Woche stehe ich halb sechs in der Metzgerei und verschweiße Wurst mit der Vakuummaschine. Das ist meine Arbeit. Wir sind vier Leute. Einer steht an der Wurstschneidemaschine, ziemlich großes Industriegerät, er schneidet, und es macht wutt, wutt, wutt, wutt. Die restlichen Leute nehmen die Wurstscheiben, immer zwei auf einmal, packen sie in Plastiktüten und kleben das Etikett von der JVA drauf. Dann komme ich mit meiner Vakuummaschine. Vier Packungen nebeneinander, Hebel runter, Luft raus, Tüte zu, Hebel wieder hoch, klack, klack, klack, klack. Mordsmäßig monotone Arbeit, aber die Zeit vergeht, und die Stimmung ist super.
    Ich arbeite mit zwei Betrügern zusammen, beide Ende dreißig und komplett glücksspielsüchtig. Die sind immer mit fünfzigtausend Euro reinmarschiert ins Casino, haben alles verloren und dann die Betrügereien angefangen. Zuletzt hatten sie Casinoverbot in halb Europa, sie bleiben aber weiter der festen Überzeugung, dass ihre Sucht überhaupt nichts damit zu tun hat, dass sie im Gefängnis sitzen.
    Meint der eine so: »Hey Oli, wenn du mir zwanzigtausend Euro gibst, mach ich dir in einer Woche fünfzig draus.«
    Ich: »Fünfzig Euro?«
    »Nee, fünfzigtausend.«
    Sag ich: »Mann, Alter, wenn das funktionieren würde, warum sitzte dann nicht auf ’ner Insel und hast ’n Boot? Warum sitzte stattdessen im Knast und verpackst Wurst?«
    »Ey, Moment mal, Alter, ich bin doch wegen ’ner ganz anderen Sache hier. Das war ’ne Betrugsgeschichte, Mann.«
    Dann grinsen wir uns einen. So geht das hier jeden Tag.
    Manchmal schickt uns Herr Wetzel, der Chefmetzger, aus der Zentrale seine rechte Hand vorbei, um zu gucken, ob wir noch arbeiten. Er heißt Herr

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