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Idee.«
Ich stehe auf und laufe über den Hof zur Telefonzelle. Ich rufe bei einem Freund an, der mir bestätigt, dass der Knast immer noch von der Presse belagert wird.
Danach gehe ich zurück zu Dragan in die Zelle.
»Okay, du kannst morgen am Eingang mit den Leuten vom Fernsehen reden und die Sache gleich klarstellen. Aber lass dir dafür Geld geben.«
Und er so: »Wie, was, wie viel?«
Und ich noch mal: »Lass dir erst, sagen wir mal, 200 Euro geben. Dann machst du das Interview. Und fang keine Diskussionen mit denen an. Und bring Pizza und Cola mit.«
Und er: »Ich bring alles mit.«
Als ich am nächsten Tag in der Metzgerei Feierabend machen will, ich hab grad wieder Äpfel im Stiefel, steht da auf einmal der Direktor und will mit mir reden. Ich hab ihn bisher nur auf dem Hof gesehen, wenn er rüber ins Verwaltungsgebäude ging. Ein dünner Typ mit Anzug und Aktentasche. Der trägt keine Uniform wie die normalen Beamten, die Frontschweine, die auf uns aufpassen. Der hält sich schon für einen Politiker, das spürst du gleich. Ein Wichtigtuer, völlig humorfrei, völlig frustriert.
Aber jetzt kommt er mir ganz freundlich.
»Herr Stein, stimmt das denn? Sie werden von den Mitgefangenen schlecht behandelt?«
»Wieso?«
Er meint, also ja, er habe da gestern diesen Zeitungsartikel gelesen, darin habe was von Hierarchien gestanden und so. Die Hierarchien, das scheint ihn am meisten zu interessieren.
Ich gleich: »Es herrschen hier keine Hierarchien, ich werd’ auch nicht schlecht behandelt, das ist halt die Zeitung.«
Aber er: »Sonst müsste man sich natürlich was anderes für Sie überlegen.«
Es klingt irgendwie nach ’nem Angebot. Was anderes überlegen. Andererseits, was will sich ein Gefängnisdirektor denn groß anderes überlegen für mich? Ich sitz doch schon im Knast.
Ich sag also schnell: »Nee, nee, ist alles wunderbar. Ich mache hier meine Arbeit, alles wunderbar. Ich möchte nur irgendwann Freigang haben. Es ist alles super, gar kein Thema.«
Und das war’s. Der Direktor verabschiedet sich genauso freundlich, wie er sich vorgestellt hat, und verschwindet in seinem Verwaltungsgebäude. Kein »Aber«, kein »Wollen Sie nicht«, kein »Denken Sie drüber nach«. Komisches Gespräch. Als ich in den Knast kam, hatte ich mir gesagt, bloß keine Extrawurst, lieber ein bisschen mehr Scheiße fressen als die anderen, das ist ’ne Strategie, die ich immer schon gefahren habe im Leben. Ich mach’s mir schwerer, weil sowieso alle denken, dass ich’s mir leicht machen will. Aber jetzt stehe ich trotzdem da und überlege, ob es dumm war nicht nachzufragen, was er mir anbieten wollte – oder vielleicht doch eher schlau.
Es sollte dann allerdings noch eine ganze Weile dauern, bis ich darauf eine klare Antwort erhalte.
Am Abend kommt Dragan von der Arbeit zurück, voll bepackt, der hat sechs Kilo Lebensmittel unter’m Arm. Er grinst über das ganze Gesicht. Miro und ich setzen uns aufs Bett, es ist wie im Kino. Wir können es nicht erwarten, dass er endlich erzählt, wie’s gelaufen ist. Aber Dragan füllt erst mal schön den Kühlschrank auf. Dann fängt er an.
Er kommt also früh aus der Schleuse, und da stehen schon ’ne Frau und ’n Kameramann, große Kamera, großes Mikrofon.
Sie so: »Kennen Sie Oli Stein? Würden Sie uns was zu ihm sagen? Können wir hier ein Interview machen?«
Und er: »Nein, können wir nicht hier machen. Aber wenn wir um die Ecke gehen, können wir machen.«
Er läuft ’n paar Meter die Straße runter, weg von der Einfahrt, damit die Beamten im Häuschen nicht denken, dass hier Geschäfte laufen oder so. Das sagt er den Fernsehleuten natürlich nicht. Er geht einfach voraus, ein komplett durchtrainierter, komplett zutätowierter Jugo-Dealer, und das Fernsehteam dackelt hinterher, ohne zu wissen, was er vorhat. Die müssen sich voll eingeschissen haben. Dann bleibt er an der Ecke plötzlich stehen.
»Los, dafür will ich aber Geld, ein Honorar! 200 Euro.«
»Und das Interview?«
»Nix da, erst das Geld.«
Sie geraten ins Schwitzen und geben ihm zittrig das Geld, das sie mühsam zusammensuchen. Nur kommen sie nicht mehr dazu, die Kamera aufzubauen, geschweige denn eine Frage zu stellen, weil Dragan schon loslabert, voll im Knastslang, von wegen was der Verräter aus dem Artikel für ein Vogel sei, den kenne im Knast keiner, der hätte keine Ahnung.
»Ich sitze hier mit dem Oli seit drei Wochen, oder was weiß ich, das ist ein so feiner, anständiger
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