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313

313

Titel: 313 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Tewaag
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sein.«
    Zwei Stunden sitzen wir da und beratschlagen. Der Kupp ist fix und fertig. Er hat von seinen vier Jahren nur noch zwei Monate zu sitzen. Der würde nie einen Fluchtversuch unternehmen, aber klar, das Ding könnte man ihm als Testzwicker auslegen.
    »Da passiert schon nix«, sag ich, obwohl ich das nicht glaube.
    »Und wenn der Beamte mich anzeigt?«, fragt der Kupp.
    »Quatsch«, sag ich, »das ist jetzt so ’n Geheimnis unter euch.«
    Da kommt durch den Lautsprecher auf einmal die Durchsage, dass Postausgabe ist, und der Kupp stürzt auf den Gang, weil er mit dem Beamten reden will. Der hat ja immer noch Dienst.
    Kaum ist der Kupp aus der Tür, müssen Wlad und ich lachen. Wir können gar nicht mehr aufhören. Wir stehen am Fenster und schauen, ob wir im Zaun das Loch entdecken, können aber nichts sehen. Den Typen, der vor Kurzem den Schuh gemacht hat, haben sie übrigens immer noch nicht gefunden, nur die Klamotten von ihm. Sie lagen noch innerhalb der Anstalt. Er muss also nackt geflüchtet sein. Vielleicht war er sogar nackt, als er über den Stacheldraht rübermachte. Ich versteh die Aktion nicht, aber Wlad meint, Flucht aus dem Knast sei in Deutschland nicht strafbar. Wenn du dabei aber Häftlingsklamotten anhast, dann drücken sie dir rein, dass du Anstaltseigentum entfernt hast. Flucht ist nicht strafbar, aber Diebstahl ist strafbar, Gefährdung anderer Personen ist strafbar und Zaundurchschneiden auch.
    Als Kupp von der Postausgabe zurückkommt, sieht er nicht nur noch weißer aus als vorhin, er zittert jetzt auch.
    Ich frag ihn: »Was hat er gesagt, Alter?«
    Aber der Kupp sagt nur: »Ich bin weg, Alter. Ich bin weg.«
    Irgendwann verstehen wir, dass er wie geplant zu dem Beamten hin ist und ihn so ganz auf vertraulich gefragt hat, was sie denn jetzt machen wollen, sie beide.
    Da tut der Beamte überrascht: »Was denn machen?«
    Der Kupp sagt noch: »Na, wegen vorhin.«
    Aber der Beamte: »Ich weiß gar nicht, was Sie meinen.«
    Der Kupp sitzt auf meinem Bett, ist voll panisch und hyperventiliert, und nichts, was wir ihm sagen, kommt überhaupt noch bei ihm an. Der Blick fällt total ins Leere. Als hätte er grade die Diagnose bekommen, dass er nur noch fünf Tage zu leben hat. Es ist schrecklich mit anzusehen, wenn erwachsene Männer plötzlich die Angst packt. Eben noch waren sie stabil, im nächsten Moment tut sich unter ihnen der Boden auf. Aber genau so geht es jetzt wahrscheinlich dem Beamten. Der ist auch am Arsch. Für den ist das sein persönliches Hiroshima. Wenn das rauskommt, ist er die Lachfigur der Anstalt. Die Karriere kann er vergessen. Bestimmt hat der schon die Bänder von der Kamera auf dem Hof gelöscht. Und für die Anstalt ist die Sache auch ’ne Vollkatastrophe. Es muss nur die Presse davon Wind bekommen, dass in dem Knast, vor dem der Ministerpräsident eben noch schärfere Haftbedingungen gefordert hat, Gefangene mit Seitenschneidern rumrennen, die ohne Probleme den Sicherheitszaun durchzwicken.
    Der Kupp spricht jetzt nur noch in Wiederholungen: »Der behält das nicht für sich, Alter, niemals behält der das für sich. Der fickt mich, Alter, der fickt mich mit der Sache.«
    Ich versuch ihn zu beruhigen: »Alter, was soll der denn auch sagen? Dass er jetzt mit dir unter einer Decke steckt?«
    Aber der Kupp: »Der wird sagen, dass ich das war.«
    Wenn das ein cooler Beamter wäre, dann würde er zum Herrn Karl hingehen und sagen, hier, hallo, Beamter Doof, ich hatte fünf Minuten Geistesausfall, und jetzt ist ’n Loch im Zaun, der Kupp kann nichts dafür. Aber wahrscheinlich ist das nicht. Insofern muss auch gar nichts passieren, solange das Loch nicht entdeckt wird. Zum Glück ist der Kupp mit dieser Geschichte nur zu uns gekommen, Leuten, denen er vertrauen kann, und hat es niemandem sonst erzählt. Das wäre innerhalb von Minuten rum gewesen, das hätte ’ne Eigendynamik angenommen, die sich nicht mehr stoppen lässt, das hätten die Beamten gehört, und dann hätte es nur noch die Entscheidung gegeben, ob es der Kupp oder der Beamte war, und im Zweifelsfall wäre es dann immer der Kupp gewesen.
    Die ganze Nacht schläft der Kupp nicht. Er weiß, dass sie das Loch sowieso finden werden, einfach, weil es an so einer Stelle ist, in Brusthöhe, wo man es gar nicht übersehen kann. Es wird also sowieso rauskommen. Als er am nächsten Morgen so einen kleinen Beamten am Zaun entlangschleichen sieht, gehen ihm voll die Nerven durch, und er unternimmt einen ziemlich

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