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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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freuten sich sehr, daß die beiden so lebhaftes Vergnügen über die Beschäftigung der Kinder empfanden. Darum, und vor allen Dingen aus Dankbarkeit für den gestern geleisteten großen Dienst, holte der Mann aus dem Laden einen mit allerlei Kostbarkeiten angefüllten Kasten und bat sie, sich einige Gegenstände als Andenken auszuwählen. Der Methusalem weigerte sich entschieden, etwas anzunehmen, kränkte aber damit die guten Leute so sehr, daß er sich endlich bereit erklärte, sich zu einer Kleinigkeit zu verstehen, welche von keinem zu hohen Wert sei.
    Er erhielt eine jener Elfenbeinschnitzereien, welche nur von der unendlichen Geduld eines Chinesen hergestellt werden können. Es war ein winzig kleines Häuschen, nicht einen Zoll lang und hoch und kaum halb so breit, und doch stellte diese kleine Schnitzerei ein Haus dar, welches aus dem Parterre und einer vielgeschnörkelten Etage bestand. Im Parterre gab es vier Fenster, durch welche man in der ersten Stube einen Chinesen essen, in der zweiten einen Mann lesen, in der dritten einen Mandarin schreiben und in der vierten einen Bauer rauchen sah. Das Stockwerk bestand aus zwei Zimmern; im ersten saßen Mann und Frau bei der Arbeit, und im zweiten schliefen die Kinder dieses Paares in vier Betten. Und alle diese Personen und Gegenstände waren trotz ihrer fast mikroskopischen Kleinheit so fein, deutlich und kunstvoll gearbeitet, daß der Verfertiger gewiß ein Meister seines Faches gewesen war und jahrelang gebraucht hatte, um dieses allerliebste Kunstwerk zu vollenden.
    Gottfried empfing eine fein durchlöcherte Pfeifenspitze, aus welcher man mittels des Rauches allerlei sonderbare Figuren blasen konnte, ein Geschenk, welches ihm, wie er versicherte, als heimlichen Mitraucher der Hukah von großem Wert war.
    Aber noch ein Geschenk gab es, viel, viel kostbarer als die beiden andern, obwohl man es demselben nicht ansehen konnte. Der Juwelier brachte nämlich ein kleines Büchelchen, nur drei Zoll lang und breit. Der Einband war von gepreßtem Leder, und der Inhalt bestand aus nur einem einzigen Blatt, welches auf beiden Seiten mit fremdartigen Charakteren beschrieben war. Der Methusalem konnte dieselben nicht enträtseln und fragte, was das Miniaturbuch zu bedeuten habe.
    „Es ist ein sehr wertvoller Besitz für denjenigen, der es gebrauchen kann, nämlich ein T'eu-kuan“, antwortete Hu-tsin.
    „Ein T'eu-kuan, also ein Paß des Bettlerkönigs?“
    „Ja, ein Paß meines Schwiegervaters. Meinen Sie nicht, daß er Ihnen von Nutzen sein könne?“
    „Wie sollte er mir von Vorteil sein? Ich bin nicht Untertan des T'eu.“
    „Dieser Paß ist auch nicht für seine Leute, sondern für Fremde. Sie haben doch bereits Legitimation?“
    „Ja, und der Tong-tschi hat mir auch einen ganz vortrefflichen Paß gegeben.“
    „Des können Sie sich freuen, denn dieser Mann hat die Fremden zu beaufsichtigen, und wen er beschützt, dem kann nicht leicht ein Unfall widerfahren. Aber diese Pässe sind doch nichts gegen den Kuan meines Schwiegervaters.“
    „Wieso?“
    „Weil – nun, ich habe Ihnen bereits gestern erklärt, was ein Bettlerkönig ist und was er zu bedeuten hat. Er besitzt wirklich mehr Macht als der höchste Mandarin. Der Paß der Behörde wird respektiert, ja, aber der Kuan des T'eu hat noch eine ganz andre Wirkung. Er ist von einer Gewalt ausgestellt, welche einen jeden unsichtbar umgibt und einen jeden fassen kann dann und da, wo er es am allerwenigsten denkt. Der Befehl eines Mandarinen flößt Achtung ein, derjenige des Bettlerkönigs aber flößt Schrecken ein. Sie werden nicht hier bleiben, sondern noch weiter in das Reich gehen?“
    „Das ist allerdings meine Absicht.“
    „Nun, da werden Sie Leute finden, welche des Gebotes der Behörde lachen, einen Befehl des T'eu aber so achten, als ob er ihnen von dem Sohn des Himmels selbst erteilt worden sei.“
    „Ist dieser Kuan das Schriftstück, von welchem Sie gestern sprachen, welches man gegen Bezahlung von dem T'eu empfängt, um es als Abwehr gegen die Bettler an die Tür zu kleben?“
    „O nein. Der Zettel, von welchem Sie sprechen, ist nur eine Weisung an die Bettler, an der betreffenden Tür vorüberzugehen. Dieser Kuan aber ist ein Schutz- und Geleitbrief für seinen Besitzer. Er wird nur höchst selten ausgestellt und zwar nur an Personen, denen der T'eu im höchsten Grad verpflichtet ist. Derjenige, welcher diesen Paß nicht achtet, setzt sich der größten Gefahr aus. Zeigen Sie dem T'eu an, daß

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