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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ein Vizekönig Sie nicht beschützt hat, nachdem Sie ihm den Kuan vorgezeigt haben, und mein Schwiegervater wird diesem hohen Beamten eine Schar seiner zudringlichsten Untertanen auf den Hals senden, die ihn so lange peinigen, bis er Abbitte getan hat. Ich habe diesen Paß von dem T'eu für mich selbst erhalten, aber ich bitte Sie, ihn von mir anzunehmen, und es sollte mich herzlich freuen, einmal erfahren zu können, daß er Ihnen Nutzen gebracht habe.“
    „Dürfen Sie ihn denn verschenken?“
    „Nur an eine Person, welche mir einen sehr großen Dienst geleistet hat. Auch habe ich es sofort durch einen Boten dem T'eu zu melden, da er genau wissen muß, in welchen Händen sich diese wichtigen und seltenen Kuans befinden. Er wird mir dann einen andern für mich senden. Hoffentlich schlagen Sie mir meine Bitte nicht ab. Ich fühle mich dadurch doch wenigstens um einen kleinen Teil der Schuld erleichtert, welche ich an Sie abzutragen habe.“
    War dieser Paß eines Bettlerfürsten schon an sich ein höchst interessanter Gegenstand, so daß man wohl wünschen konnte, in den Besitz eines solchen zu kommen, so lag es außerdem gar wohl im Bereich der Möglichkeit, daß diese Legitimation dem Methusalem und seinen Gefährten von Nutzen sein werde. Darum ging der Student auf die Bitte des Juweliers ein und steckte den T'eu-kuan zu sich, bat sich aber dafür die Erlaubnis aus, ihm später aus Deutschland ein Gegengeschenk senden zu dürfen, irgendeinen Gegenstand, welcher hier selten und also auch von großem Interesse sei.
    Dann schieden die beiden Deutschen von den dankbaren Leuten, welche sich noch bis zum letzten Tsching tsching in Höflichkeiten ergingen. Als sie aus dem Laden traten, sahen sie eine Anzahl Polizisten vor dem Haus Wing-kans stehen, aus welchem hoch bepackte Kulis kamen. Die Behörde war dabei, sich den Besitz des Gefangenen anzueignen, dessen wertvollsten Teil der Tong-tschi freilich schon gestern abend heimlich auf die Seite gebracht hatte.
    Und eben als sie in das Haus des letzteren traten, ertönten am Eingang der Straße die durchdringenden Klänge des Gongs. Der Wächter machte abermals die Runde, heut aber, um zu verkündigen, daß die gestohlenen Götter sich selbst befreit hätten und noch im Laufe des Tages in ihren Tempel zurückkehren würden. Er fügte hinzu, daß die Missetäter ergriffen worden seien und ihrer gerechten Bestrafung entgegengingen.
    Indessen hatte der Hausmeister den wegen der Sänften an ihn gerichteten Wunsch erfüllt. Die Reisenden stiegen ein und brachen auf, zwei Läufer an der Spitze und zwei Diener hinterher. Die Wasserpfeife, welche unbequem war, und den Neufundländer, von welchem man nicht wußte, ob er überall mit hingenommen werden durfte, hatte der Methusalem zurückgelassen. Auch die Fagottoboe war zurückgeblieben, was dem Gottfried nicht wenig Überwindung kostete. Er hatte die wunderbaren Töne derselben hier in China noch gar nicht an den Mann bringen können, während er daheim im ‚Geldbriefträger von Ninive‘ die Genugtuung gehabt hatte, täglich die Biersignale zu geben und die zahlreichen ‚Hochs‘ mit dem geliebten Instrument zu begleiten.
    Der Wunsch, einen Tempel zu besuchen, wurde bald erfüllt. Die Träger hielten vor einem Bauwerk, welches sie als das ‚Heiligtum der fünfhundert Geister‘ bezeichneten. Die Reisenden stiegen aus den Palankins, um es sich zu besehen.
    Sie traten in einen überdachten Torweg, an dessen Seiten zwei steinerne Ungetüme standen. Ein wohlgenährter Bonze trat ihnen entgegen, um sie mit einem freundlichen Tsching tsching zu begrüßen, welches ihm in herablassender Weise zurückgegeben wurde. Er bot sich als Führer an und geleitete sie in eine lange Doppelhalle, an deren Wänden fünfhundert vergoldete Menschenbilder saßen, welche die berühmtesten Schüler und Jünger Buddhas vorstellen sollten.
    Für den ersten Augenblick machten diese vielen starren Gestalten einen fast beklemmenden Eindruck. Bei näherer Betrachtung aber konnte man sich mit dieser stummen Gesellschaft wohl befreunden, da die Idole keineswegs das Aussehen grimmiger oder gar blutgieriger Götzen hatten.
    Da in China der Begriff der Schönheit mit demjenigen der Wohlbeleibtheit unzertrennlich ist und die ‚erhabenen Heiligen‘ doch unbedingt schön sein müssen, so besaßen alle diese Bilder einen Leibesumfang, welcher sich mehr oder weniger dem des Mijnheer van Aardappelenbosch näherte, ja denselben zuweilen noch übertraf. Die Gesichter

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