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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sorgloses Gesicht, und da er wohlbeleibt war, so befriedigte er ganz wohl die Ansprüche, welche der Chinese an das Bild eines Gottes macht.
    „Ja, er ist schön“, antwortete der Mandarin. „Aber frage sie doch einmal, ob wir erfahren dürfen, weshalb sie nach Kuang-tschéu-fu gekommen sind!“
    „Du stellst mir da eine Aufgabe, welche mich zwingt, unhöflich gegen die Götter zu sein. Wenn sie in die Tiefe der Weisheit versunken sind, ist es eine Sünde, sie aus derselben zurückzurufen. Ich begebe mich in die Gefahr, ihren Zorn auf mich zu laden, so wie ihr ihn euch vorhin zugezogen habt.“
    „Der Kriegslama war zornig, ja, aber der andere nicht. Er sprang vom Sitz herab, um sich zu verstecken.“
    „Das geschah nicht aus Furcht, denn es kommt nur auf seinen Willen an, so kann er euch alle verderben. Aber es versteht sich ganz von selbst, daß ein Lama des Friedens, wenn er zornig ist, sich an den Lama des Krieges wendet.“
    „So willst du sie also nicht stören? Dann müssen wir es tun.“
    „Nein, nein! Ihr würdet es nicht mit der gebührenden Ehrfurcht tun. Also will ich es wagen. Vielleicht gefällt es ihnen doch, uns Auskunft zu erteilen.“
    Er näherte sich den beiden Götzen, verbeugte sich tief vor ihnen und sagte, aber in deutscher Sprache: „Antworten Sie mir nicht sogleich, sondern starren Sie immerfort in die Ecke. Erst später tun Sie dann, als ob Sie langsam aus tiefem Nachdenken erwachen. Dann müssen Sie zunächst in zornigem Ton zu mir reden.“
    Die beiden bewegten sich nicht. Liang-ssi wandte sich zu dem Mandarin: „Du siehst, wie weit sie von hier abwesend sind. Sie hören meine Stimme nicht. Ich muß weiter zu ihnen sprechen.“
    Nun erzählte er den beiden, was er mit dem Mandarin gesprochen habe, und daß er hoffe, man werde sie unbehelligt fortgehen lassen. Dann holte er ein Räucherstäbchen und erklärte den Chinesen: „Ich bin noch immer nicht gehört worden. Vielleicht gelingt es mir, sie durch Wohlgerüche zurückzurufen.“
    Er schwang das Stäbchen vor den Göttern hin und her. Turnerstick holte tief Atem, klappte seinen Fächer zu, sah im Kreis umher und fragte zornig: „Ist die Komödie nicht bald zu Ende? Es fällt mir gar nicht ein, länger hier sitzen zu bleiben. Heut nur zwei Tassen Tee! Ich habe einen gewaltigen Hunger. Sie nicht auch, Mijnheer?“
    Der Dicke tat, als ob er zu sich komme, verdrehte die Augen und antwortete: „Ja, het is tijd dat wij an tafel gaan – Ja, es ist Zeit, daß wir zu Tisch gehen.“
    „Hören Sie es? Nun machen Sie also, daß wir fortkommen! Wo ist unser Methusalem?“
    „Er steht am Gitter hinter Ihnen.“
    „So hört er also, was wir reden?“
    „Ja.“
    „Nun, so will ich ihm sagen, daß es sehr unrecht von ihm ist, sich da draußen hinzustellen, ohne hereinzukommen und uns in Schutz zu nehmen.“
    „Das kann er nicht. Die Klugheit verbietet es ihm. Käme er herein, so würde er an allem, was Ihnen geschieht, teilnehmen müssen. Hält er sich aber entfernt, so kann er später alles zu Ihrer Rettung tun.“
    „Rettung? Steht es so schlimm?“
    „Hoffentlich nicht. Doch weiß man nicht, was die Priester und Mandarinen beschließen werden.“
    „Was haben Sie denn jetzt wieder mit ihnen verhandelt?“
    „Ich soll Sie fragen, warum Sie als Lama hierhergekommen sind.“
    „Weiß ich es? Das müssen Sie doch wissen, der Sie uns zu Lamas gemacht haben.“
    „Ich weiß wirklich nicht, was ich antworten soll.“
    „So sagen Sie ihnen meinetwegen, daß wir hier Nilpferde suchen, denen wir Filetstricken lehren wollen. Nicht wahr, Mijnheer?“
    „Ja, ongelukkige nijlpaarden.“
    „Oder sagen Sie, daß wir ungeheuer reich sind und mit unserem Geld so wenig wissen, wohin, daß wir auf den Gedanken geraten sind, ihnen eine Pagode zu bauen, an welcher wir sie alle aufhängen lassen werden.“
    „Das Aufhängen werde ich verschweigen: aber eine Pagode? Der Gedanke ist sehr gut. Warten Sie!“
    Sich an den Mandarin wendend, berichtete er demselben: „Die heiligen Lamas waren zornig, daß sie abermals gestört worden sind; aber sie haben sich dennoch herbeigelassen, mir Auskunft zu erteilen. Sie sind gekommen, um hier einen großen Tempel der Wohltaten zu erbauen, in welchem tausend Arme aufgenommen werden können.“
    „Wer soll ihnen das Geld dazu geben?“
    „Niemand. Sie selbst haben es: sie sind reich genug dazu.“
    „Thian! So reich bin ich nicht. Aber können Sie auch beweisen, daß sie das wirklich

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