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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zieeh!“ drang es aus seiner Brust, wie aus einem Vulkan.
    „Thian-na, nguot-tik – O Himmel, o Wunder!“ erklang es rundum.
    Der junge Mandarin versuchte sein Experiment nun auch an Turnerstick. Dieser biß die Zähne zusammen und nahm sich vor, auf keinen Fall zu niesen. Aber auch er konnte nicht widerstehen. Es erfolgte bei ihm eine ebenso gewaltige Explosion wie bei dem Dicken.
    „Thian-na! Nguot-tik!“ riefen die Umstehenden wieder.
    Da Turnerstick chinesische Kleidung trug, hielt man ihn für einen heimischen Gott, den Mijnheer aber für einen Gott aus einem fremden, bisher noch unbekannten Himmel. Daß beide geniest hatten, war ein ebenso großes Wunder wie auch ein sicheres Zeichen, daß ihnen das Räucheropfer Wohlgefallen habe. Schon dachte der Ta-sse an die Berühmtheit, welche sein Tempel durch diese beiden unbegreiflichen Wesen erlangen werde, und an die Einnahmen, welche eine natürliche Folge davon sein mußten. Da aber riß ihn der Mandarin durch die Worte aus seiner Täuschung: „T'a-men put tschian-tse, t'a-men tijin – Es sind nicht Himmelssöhne, sondern irdische Menschen!“
    Bei diesen Worten nahm er dem Dicken den Schirm aus der Hand und stieß ihm die Spitze desselben an den Leib.
    „Oei, seldrement – O weh, potztausend!“ rief der Mijnheer, indem er mit beiden Händen nach der getroffenen Stelle griff.
    Auch der Kapitän erhielt einen kräftigen Stoß, so daß er zornig ausrief: „Alle Wetter! Nimm dich doch in acht, Kerl!“
    Auf diese beiden Interjektionen erhob sich in dem Tempel ein Lärm, welcher ganz unbeschreiblich war. Man erkannte, daß man ganz gewöhnliche Menschen vor sich habe und daß das Heiligtum geschändet worden sei. Man drang auf die beiden ein.
    „Rechtvaardige Hemel! Dat God verhoede – Gerechter Himmel! Gott mag's verhüten!“ schrie der Mijnheer, indem er sich von dem Postament herabwälzte, um hinter dem Kapitän Schutz zu suchen. Dieser aber, als er nun die wirkliche Gefahr vor sich sah, ließ alle Angst schwinden. Er sprang auf, streckte den Andrängern die geballten Fäuste entgegen und schrie: „Zurück, ihr Chineseng! Ich werde mich nicht anrühreng lassing! Könnt ihr boxeng? Wollte ihr meine Fäustung fühlang?“
    Sie prallten wirklich zurück, und das war der Augenblick, an welchem der Methusalem jenseits an das Gitter getreten war, um durch dasselbe herüberzublicken. Er sah den Kapitän, welchem der Klemmer von der Nase gerutscht war, in drohender Stellung vor seinen vielen Angreifern auf dem Postament stehen. Er erriet, was geschehen war, und erkannte die Gefahr, in welcher die beiden schwebten; aber wie war da Hilfe zu bringen?
    Turnerstick benutzte das momentane Zurückweichen seiner Gegner zu einer donnernden Rede, in welcher er ihnen die Gefahr auseinandersetzte, welche ihnen drohte, wenn sie sich seiner friedlichen Entfernung widersetzen sollten.
    „Welche Unvorsichtigkeit!“ sagte der Methusalem. „Sie werden kaum zu retten sein. Ich muß hinein!“
    „Nein, nein!“ entgegnete der Tong-tschi. „Die Unvorsichtigen haben die Stelle der Götter eingenommen gehabt und sind dabei überrascht worden. Wenn Sie ihnen zu Hilfe eilen, sind auch Sie verloren, wir alle! Wir können sie nur aus der Ferne retten.“
    „Ich rette sie!“ sagte Liang-ssi. „Ich bringe es wenigstens so weit, daß ihnen jetzt kein Leid geschieht. Man wird sie in das Gefängnis stecken, aber ich hoffe, daß wir sie aus demselben befreien können.“
    Er wollte fort. Der Methusalem hielt ihn zurück und fragte: „Was wollen Sie tun?“
    „Lassen Sie mich! Sie sind Lamas aus Lhasa.“
    „Das glaubt niemand!“
    „Man mag es bezweifeln! Man muß sie doch einstweilen als solche behandeln.“
    Er riß sich los und trat in die vordere Halle, nicht eilig, sondern ganz so, als ob er sich in der hinteren Abteilung befunden habe und von dem Lärm herbeigelockt worden sei.
    Noch stand Turnerstick da und sprach. Er wollte die Anwesenden durch die Gewalt seiner Rede niederschmettern, natürlich aber wurde kein Wort verstanden.
    Der junge Mandarin erblickte den Eintretenden; er trat auf ihn zu, ergriff ihn am Gewand und fragte: „Gehörst du zu diesen beiden?“
    „Nein“, antwortete Liang-ssi, allerdings nicht der Wahrheit gemäß.
    „Was willst du hier?“
    „Den Tempel besuchen.“
    „Das ist jetzt nicht erlaubt! Kein Fremder darf herein!“
    „Diese beiden sind ja auch fremd!“
    „So kennst du sie also doch!“
    „Nein. Ich verstehe aber ihre Sprache

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