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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wollen?“
    „Wodurch kann man den Willen beweisen, als durch die Tat? Sie werden, da sie abermals gestört worden sind, jetzt von hier aufbrechen, um sich einen andern Ort zu suchen, an welchem niemand sie aus ihrer seligen Versunkenheit erwecken kann.“
    „Sie wollen gehen?“ fragte der Mandarin, indem ein eigentümliches Lächeln um seine Lippen zuckte. „Wenn sie wirklich so berühmte und heilige Lamas sind, wie du uns gesagt hast, so tut es uns sehr leid, sie von uns lassen zu müssen. Willst du sie nicht fragen, ob und wann und wo wir sie wiedersehen können?“
    Diese Worte waren sehr freundlich ausgesprochen worden. Liang-ssi glaubte, gewonnenes Spiel zu haben. Aber es gab einen, dem sie nicht gefielen, und dieser eine war der Methusalem. Er hatte jedes Wort der Verhandlung vernommen, und, da er alles sehr gut überblicken konnte, die Gesichter genau betrachtet. Da war ihm zunächst aufgefallen, daß die Züge des jungen Mandarins mit den Liang-ssis eine fast auffallende Ähnlichkeit besaßen. Man hätte sie für nahe Verwandte halten können. Doch das war ein Zufall, welcher gar keine Bedeutung hatte. Wichtiger war das Benehmen dieses jugendlichen Beamten, welcher bereits den vielbegehrten Titel eines Moa-sse hatte, obgleich er nur sehr wenig über zwanzig Jahre zählen konnte.
    Dieser letztere Umstand war ein Beweis, daß er ein sehr unterrichteter, begabter und kluger Mann sei. Das schienen die höheren Mandarinen anzuerkennen, da sie ihm die Untersuchung dieses so außergewöhnlichen Falles überließen.
    Er sah nicht aus wie einer, der sich so leicht einer groben Täuschung unterwerfen läßt. Es war trotz seiner nachherigen Freundlichkeit etwas Überlegenes, Zuwartendes an ihm zu bemerken, was er nicht ganz zu verbergen vermochte. Degenfeld hatte das Gefühl, daß dieser Mann eine unsichtbare Schlinge in der Hand habe, welche er plötzlich zuziehen werde, um Liang-ssi zu fangen. Und welcher Art diese Schlinge sei, das ahnte der Student.
    So geschickt Liang-ssi sich verhalten hatte, war doch eine große Unvorsichtigkeit von ihm begangen worden. Er hatte den Dicken mehrere Mal Mijnheer genannt, und auch Turnerstick hatte sich dieses Wortes bedient. Es gab in Macao, Hongkong und Kanton Holländer genug, mit denen die Bewohner dieser letzteren Stadt in Berührung kamen, und bei solchen Berührungen gibt es stets gewisse Worte, welche im Gedächtnis hängenbleiben und sich weitersprechen. Hört der Deutsche das Wort Monsieur, so wird er den Betreffenden gewiß für einen Franzosen halten. Wird eine Dame Lady oder Miß genannt, so ist sie sehr wahrscheinlich eine Engländerin oder Amerikanerin. Es stand zu erwarten, daß das Wort Mijnheer ein in Kanton nicht unbekanntes sei; wenigstens war anzunehmen, daß ein Mann von den Eigenschaften des Mandarins die Bedeutung desselben kenne. War dies der Fall, so mußte er wissen, daß ein Fremder, welcher Mijnheer genannt wurde, unmöglich ein Lama aus Lhasa sein könne.
    Liang-ssi gehorchte der Aufforderung des Beamten. Er wandte sich an Turnerstick und sagte: „Die Angelegenheit steht sehr gut für Sie und wird sogleich zum Abschluß kommen. Man glaubt mir, daß Sie heilige Lamas sind und das Recht besitzen, den Platz von Göttern einzunehmen. Ich habe gesagt, daß Sie zum Besten der hiesigen Armen von Ihrem eigenen Geld einen Tempel bauen wollen, und das hat Ihnen Respekt verschafft.“
    „Na, allzugroß wird er nicht werden!“ meinte der Kapitän. „Es sind mir keine Kapitalien zur Feueresse hereingefallen, so daß ich sie hier zum Nutzen dieser Leute verpulvern könnte, Ihnen doch auch nicht, Mijnheer?“
    „Neen, mij ook niet, voornamelijk daartoe niet – Nein, mir auch nicht, zumal dazu nicht.“
    „Sie glauben es aber“, fuhr Liang-ssi fort. „Man wird Sie jetzt ungehindert gehen lassen. Vorher aber will man wissen, wann und wo man Sie sehen und treffen kann.“
    „Im Mond, sagen Sie ihnen das“, antwortete Turnerstick. „Nicht wahr, Mijnheer?“
    „Ja, in den maan, en indien wij buiten zijn, in der maansverduistering – Ja, in dem Mond, und wenn wir fort sind, in der Mondfinsternis“, antwortete der Dicke, indem er den Mund breitzog und vergnügt über seinen Witz lachte.
    „Da haben Sie recht, Mijnheer. Es ist für uns alle am besten, uns schnell zu verdüstern, sobald wir hier fortgekommen sind. Wenn ich Ihnen sage, daß Sie gehen können, so steigen Sie möglichst gravitätisch herab und gehen hinaus, ohne wie es Göttern geziemt, die

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