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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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denn der Tong-tschi trat ein, grüßte sehr freundlich und erkundigte sich, wie sie bedient worden seien. Der Methusalem antwortete anerkennend und war dann ziemlich erstaunt, als der Wirt ihm sagte, daß der Ho-po-so dagewesen und soeben fortgegangen sei. Er hatte erwartet, daß er diesen Besuch verheimlichen werde, um seine Gäste nicht zu kränken.
    „War er nicht gekommen, uns zu begrüßen?“ konnte der Student sich doch nicht enthalten zu fragen.
    „Ja“, antwortete der Mandarin ganz unbefangen. „Er hatte sich sehr darauf gefreut, Sie zu sehen.“
    „So kommt er wieder?“
    „Nein.“
    „Dann ist es mir unbegreiflich, daß er gegangen ist, ohne sich sehen zu lassen!“
    „Es fiel ihm plötzlich ein, daß er etwas sehr Wichtiges vergessen hatte; darum mußte er sich beeilen und hat mich gebeten, ihn zu entschuldigen.“
    „Dessen bedarf es nicht. Wir dürfen ja nicht so unbescheiden sein, ihn von wichtigen Dingen abzuhalten.“
    Über das Gesicht des Tong-tschi glitt ein feines Lächeln. Er wußte gar wohl, wie Degenfeld seine Worte meinte, tat aber gar nicht so, als ob er ihn verstehe. Er setzte sich zu den dreien an den Tisch, verlangte Pfeifen und gab, als diese brannten, dem Diener den Befehl, sich zurückzuziehen, und jede Störung fern zu halten.
    Nach dieser Einleitung wollte der Methusalem vermuten, daß der Mandarin nun von den Gefangenen sprechen und vielleicht einen guten Rat zum Vorschein bringen werde. Dem war aber nicht so, denn der Chinese begann wieder von dem Ho-po-so zu sprechen. Er sagte: „Dieser Mandarin hat über den Hafen von Kuang-tschéu-fu und alle Flüsse des Landes zu gebieten. Es darf ohne seine Erlaubnis kein Schiff kommen oder gehen. Vorhin nun besann er sich darauf, daß der Kapitän eines Ts'ien-kiok um die Genehmigung nachgesucht habe, abzusegeln. Der Ho-po-so hatte das vergessen, und da das Schiff morgen schon weit von hier sein muß, so eilte er fort, um das Versäumte nachzuholen.“
    Ts'ien-kiok heißt wörtlich: Tausendfuß. So werden die leicht gebauten Kriegsdschunken genannt, welche besonders die Flüsse des Binnenlandes und Kanäle befahren. Sie werden außer von den Segeln auch durch eine Menge von langen Rudern fortgetrieben, welche zu beiden Seiten des Fahrzeugs in das Wasser greifen. Die schnelle Bewegung und große Anzahl dieser Ruder ist der Grund, daß man diese Fahrzeuge oft Tausendfüße nennen hört.
    Was aber hatte so ein Schiff heute abend für eine Wichtigkeit? Warum sprach der Tong-tschi von demselben, wo man von ihm ganz andres erwartet hatte?
    „Haben Sie schon einmal so einen Ts'ien-kiok rudern sehen?“ fragte er in einem Ton, als ob dieser Gesprächsgegenstand der vorzüglichste sei, den es nur geben könne.
    „Nein“, antwortete der Methusalem kurz.
    „Sie werden es noch sehen und sich über die Schnelligkeit wundern, mit welcher es in kurzer Zeit große Strecken zurücklegt.“
    „Später! Heut aber habe ich an ganz andres zu denken!“
    „O, warum wollen Sie nicht auch einmal von einem Tausendfuß sprechen oder hören? Er wird zwei Stunden nach Mitternacht abgehen, kann aber auch vorher bereit dazu sein.“
    „So!“ dehnte Degenfeld.
    „Er muß nämlich noch in dieser Nacht fort, um einen Yao-tschang-ti (Steuereintreiber) nach Schü-juan zu bringen.“
    „Wohnen dort viele Leute, welche die Steuern schlecht bezahlen?“ fragte der Student, um nur etwas zu sagen.
    „Ja. Aber wissen Sie, wo Schü-juan liegt?“
    „Nein.“
    „Es liegt jenseits hoch oben am Pe-kiang, wenn man nach Schao-tschéu fährt.“
    Jetzt wurde der Methusalem aufmerksam, denn die letztgenannte Stadt lag auf der Route, welche er einschlagen wollte. Warum erwähnte der Mandarin sie? Hatte er doch einen Grund, von dem Tausendfuß zu sprechen?
    „Dieses Schiff“, fuhr er fort, indem er mit den kleinen Augen blinzelte, „ist das schnellste, welches ich kenne. Wenn es heute zwei Stunden nach Mitternacht fortfährt, wird es übermorgen noch vor Mittag den Pe-kiang erreichen, wozu ein anderes Schiff zwei volle Tage braucht. Es legt bis dorthin nicht am Ufer an und würde für denjenigen, welcher sehr schnell und rasch weit von hier entfernt sein will, eine vortreffliche Gelegenheit bieten.“
    Es war klar, er sagte das gewiß nicht ohne eine gewisse Absicht. Sollte das etwa der Rat sein, den er hatte geben wollen? Wollte er als Beamter ihn nicht direkt erteilen, sondern ihn erraten lassen? Dies war immerhin anzunehmen, und darum fragte der Methusalem:

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