32 - Der Blaurote Methusalem
mitgenommen haben!“
„Dazu haben sie sich nicht die Zeit jegönnt. Ich wünsche ihnen Jesundheit und ein langes Leben, uns aberst einen Ausweg aus der Tinte, in welche wir jeraten sind.“
Die Mehrzahl der mohammedanischen Reiter war den Soldaten nachgaloppiert. Die übrigen hielten auf der Straße, um den Anführer zu erwarten. Unter ihnen befand sich derjenige, den Degenfeld in Schutz genommen hatte. Als er den letzteren erkannte, drängte er sein Pferd herbei und sagte: „Sind diese drei Herren gefangen? Sie sind meine Wohltäter, denn sie haben mich vom Tod errettet.“
„So haben sie mich also nicht betrogen“, antwortete der Kommandierende. „Es gilt nun, zu untersuchen, ob sie wirklich Christen sind, was ich nicht glaube, da sie einen besondern Kuan des Kaisers besitzen.“
Die auf der Straße haltenden Reiter waren in gleicher Weise bewaffnet wie ihre Gefährten, deren Pferde sie am Zügel führten. Sie stiegen ab.
Turnerstick, der Mijnheer und die beiden Brüder waren aus dem Haus getreten.
„Was soll das heißen?“ rief der erstere dem Studenten entgegen. „Das sieht ja ganz so aus, als ob Sie gefangen seien!“
„Es ist auch so“, antwortete der Genannte.
„So hauen wir Sie heraus!“
„Nein. Die Sache wird sich friedlich lösen. Kommt nur mit herein!“ Man band die Pferde vor dem Haus an und begab sich in die Stube, deren Besitzer sich aus Angst vor den ‚Teufelssöhnen‘ nicht sehen ließ. Dort mußte der von Methusalem in Schutz Genommene erzählen, wie er von den Soldaten überfallen worden war, und in welcher Weise sich der Retter seiner angenommen hatte. Das Gesicht des Anführers wurde dabei immer freundlicher. Er musterte die Fremden mit prüfendem Blick und fragte dann: „Aus welchem Land seid ihr denn nach der Mitte der Erde gekommen?“
„Aus dem Land der Tao-tse-kue“, antwortete Degenfeld.
„Ist das wahr? Ich kenne einen Tao-tse-kue, welcher sehr reich und uns freundlich gesinnt ist. Er hat die unsrigen, welche vertrieben wurden und sich in Not und Gefahr befanden, oft unterstützt.“
„Wie heißt dieser Mann?“
„Er nennt sich hierzulande kurzweg Schi (Stein), hat aber in seiner Heimat Sei-tei-nei geheißen.“
„Ah! Er ist der Besitzer einer Hot-sing (Feuerbrunnen)?“
„O, mehrerer Hot-sing. Es gehört ihm eine Gegend, in welcher eine Flüssigkeit aus der Erde dringt, welche Schi-yeu (Steinöl) genannt wird und in Lampen gebrannt werden kann.“
„Er wohnt in Ho-tsiang-ting?“
„Ja. So hat er den Ort, aus welchem eine Stadt geworden ist, genannt, der Hot-sing wegen, welche dort zutage treten. Kennst du ihn?“
„Jawohl. Dieser mein Gefährte, welcher Liang-ssi heißt, ist bei ihm angestellt.“
„Den Namen Liang-ssi kenne ich, denn er wurde mir von Genossen, welche dort Wohltat empfingen, rühmend genannt.“
„Und dieser Jüngling ist der Brudersohn von Sei-tei-nei, der ihm geschrieben hat, daß er zu ihm kommen soll.“
„Das stimmt, denn ich weiß, daß er keinen Sohn hat und in sein Land nach einem Sohn des Bruders geschrieben hat. So wollt ihr zu ihm?“
„Ja.“
„Dann möchten wir euch gern als gute Freunde betrachten, wenn nur der Kuan nicht wäre, von dem du gesprochen hast. Der Kaiser von Tschin ist unser Unterdrücker, und wen er liebt, den müssen wir hassen.“
Degenfeld beeilte sich, den Fehler, welchen er begangen hatte, wieder gut zu machen, indem er erklärte: „Ich habe mich vielleicht nicht richtig ausgedrückt, da ich der hiesigen Sprache nicht vollständig mächtig bin. Ich wollte nicht Kaiser, sondern König sagen. Hier ist der Kuan.“
Er zog anstatt des kaiserlichen Passes den Kuan des Bettlerkönigs hervor und gab denselben hin. Als der Mohammedaner einen Blick darauf geworfen hatte, rief er überrascht aus: „Ein T'eu-kuan! Das ist ja etwas ganz andres! Der T'eu ist unser bester Freund und Beschützer, und sein Paß wird bei uns heilig gehalten. Aber, da du“ – – – er stockte verlegen und fuhr dann, sich tief verneigend, fort: „Da Sie diesen so seltsamen Kuan von ihm besitzen, so müssen Sie ein sehr hervorragender und hoher Gebieter sein und ihm große Dienste geleistet haben. Betrachten Sie uns als Ihre Sklaven und befehlen Sie, was wir für Sie tun sollen.“
„Ich befehle nichts“, antwortete Degenfeld nun auch in höflicherem Ton als vorher. „Es freut uns, Sie als Freunde von Sei-tei-nei kennenzulernen, und ich bitte Sie nur um das eine, mir zu sagen, ob ich ihm vielleicht eine
Weitere Kostenlose Bücher