32 - Der Blaurote Methusalem
Botschaft von Ihnen überbringen kann.“
„Ich danke dem erlauchten Fremdling! Von einem so hohen Erretter kann ich das nicht verlangen. Also sind Sie unser nicht bedürftig?“
„Nein.“
„Sie kennen den Weg von hier nach Ho-tsing-ting?“
„Liang-ssi muß ihn kennen.“
„So gestatten Sie uns, unsern Ritt fortzusetzen, dessen Ziel ich freilich nicht gern sagen würde.“
„Ich habe kein Recht, nach demselben zu fragen. Reiten Sie in Allahs Namen!“
„So werden wir sofort aufbrechen und sagen Ihnen unsern geringfügigen Dank. Ich hatte den,welchen Sie erretteten, vorausgesandt, um zu erfahren, ob der Weg für uns und unsre Zwecke frei sei. Dabei wollte ich dem Ma-la-bu einen ehrfurchtsvollen Besuch abstatten und war so verblendet, Sie dort für Feinde und Schänder des Heiligtums zu halten. Ihre beglückende Gnade wird mir das verzeihen. Die Soldaten, welche Ihre Reise verunzierten, sind entflohen und werden nicht wiederkehren. An ihrer Stelle mag Ihr Erretteter bei Ihnen bleiben und Sie bis an das Ziel begleiten. Seine Anwesenheit wird Ihnen, falls Ihnen streitfertige Genossen von uns begegnen, mehr nützen als ein ganzes Heer von feigen Soldaten.“
Degenfeld nahm dieses Anerbieten natürlich dankbar an, dann entfernten sich die zu Freunden gewordenen Feinde unter wiederholten Verbeugungen und ritten davon. Ob die Kuei-tse, welche übrigens chinesischer Abkunft waren und sich auch chinesisch kleideten, die flüchtigen Soldaten ereilten, das war nun freilich nicht zu erfahren.
Als sie sich entfernt hatten, ließ der Wirt sich sehen, um demütig nach den Befehlen der Herren zu fragen. Es gab für ihn nicht viel zu tun, da der Mohammedaner die Bedienung übernahm und alles Nötige, was die Soldaten nun allerdings im Stich gelassen hatten, mitgebracht worden war. Nur für kochendes Teewasser hatte der Wirt zu sorgen.
Während des Essens fragte der Student den neuen Begleiter nach den Verhältnissen der Kuei-tse und seinen eigenen aus. Er erfuhr, daß derselbe vorher ein Bekenner der Lehre des Kung-fu-tse gewesen und später aus Zorn über Bedrückung seiner Familie zu den Hoei-hoei übergetreten sei. Er stammte aus der Provinz Kwéi-tschou, war dann nach Hu-nan gezogen, hatte von dort flüchten müssen und war vor einigen Monaten unter dem Schutz seiner Glaubensgefährten und der gegenwärtigen Verhältnisse wieder zurückgekehrt. Er gab an, in einem Dorf zwischen Kun-jang und Kue-tong zu wohnen.
„Das ist ja ganz in der Nähe unsres Reiseziels“, sagte Liang-ssi.
„Allerdings. Sie werden durch mein Dorf reiten müssen und dann nach rechts in ein Seitental des Lai-kiang biegen, wo die Steinölquellen entspringen und Sei-tei-nei wohnt. Ich war vor kurzer Zeit bei ihm. Steht nicht auch ein Tao-tse-kue in seinem Dienst?“
„Nein. Der, den Sie meinen, stammt aus einem Land, welches Belgien heißt.“
Der Mijnheer verstand nicht chinesisch; das Wort Belgien aber hörte er sofort heraus. Er fragte gleich, wovon die Rede sei, und als er erfuhr, daß der Onkel Daniel einen Ölingenieur, welcher ein geborener Belgier sei, aus den Vereinigten Staaten habe kommen lassen, um ihm die technische Leitung seines Etablissements anzuvertrauen, rief er aus: „Dat is goed! Dat verheugd mi bij uitnemendheid! Ik bit, spreekt hij ook nederlandsch – Das ist gut! Das freut mich ausnehmend! Ich bitte, spricht er auch niederländisch?“
„Ja, er spricht französisch, deutsch, englisch und auch niederländisch.“
„Heisa, zoo moeten wij maken, dat wij heenkomen en dat ik met hem spreken kan – Juchhe, so müssen wir machen, daß wir hinkommen, und daß ich mit ihm reden kann!“
Nach dem Essen rauchte man noch ein Viertelstündchen, und dann wurde aus den vorhandenen Decken, Tüchern und dem Heu, welches der Wirt lieferte, das Lager bereitet. Als die Pferde versorgt und angebunden waren, legte man sich zur Ruhe. Liang-ssi meinte, daß es hier in den Bergen wilde Hunde gebe, gegen welche man die Pferde eigentlich schützen müsse, doch der Methusalem beruhigte ihn durch die Versicherung: „Machen Sie sich keine Sorge! Hören Sie, welchen Lärm der Mijnheer macht? Da wagt sich bis auf tausend Schritt im Umkreis sicherlich kein wildes Tier heran.“
Und er hatte nicht unrecht. Der Dicke schnarchte, daß man meinte, das Dach wackeln zu hören. Was der gute Mann einmal tat, das tat er ordentlich.
Am andern Morgen wurde zeitig aufgebrochen, nachdem der Wirt eine so reichliche Bezahlung erhalten hatte, daß
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