32 - Der Blaurote Methusalem
sein Gesicht vor Entzücken glänzte. Der Mijnheer wurde wieder auf das Roß gebunden, und der Hoei-hoei nahm sich der Packpferde an.
Es ging jenseits des Gebirges hinab, was viel leichter war als der Aufstieg während der beiden letzten Tage. Die Szenerie war, doch nun in umgekehrter Reihenfolge, ganz dieselbe.
Der Methusalem hielt sich vorzugsweise zu dem Mohammedaner. Bei Gelegenheit fragte er ihn, ob er Kinder habe, und erhielt die Antwort: „Nein, denn ich habe mir kein Weib genommen. Dennoch besitze ich Familie, denn es wohnt eine Verwandte mit ihren beiden Töchtern bei mir, welche mich vergessen lassen, daß ich kinderlos bin. Der Mann dieser Frau mußte fliehen, weil er ganz unschuldigerweise der Teilnahme am Aufruhr angeklagt war.“
„Solche Fälle scheinen in China sehr häufig vorzukommen.“
„Leider, Herr. Wer bei einer solchen Gelegenheit auf der Straße getroffen wird, den ergreift und verurteilt man, ohne die wirkliche Schuld zu untersuchen. Und die Verwandten nächsten Grades müssen dieselbe Strafe erleiden.“
„Fand dies auch in dem diese drei Frauen betreffenden Fall statt?“
„Ja. Der Mann war gewiß unschuldig; aber nicht nur er, sondern auch sein Weib und seine Kinder wurden gefangengenommen. Es waren zwei Söhne und zwei Töchter.“
Diese letzte Bemerkung erregte die Aufmerksamkeit des Methusalem. Er erkundigte sich: „Hat eine dieser Personen die Todesstrafe erlitten?“
„Nein. Der Mann hat einen Freund, einen Mandarin, der sich der Armen heimlich annahm. Dieser ließ erst den Vater entkommen und später im Zwischenraum von einigen Tagen, da es nicht anders möglich war, auch die beiden Söhne. Diese letzteren sollten an einem bestimmten Ort dann auf ihre Mutter und ihre Schwestern warten.“
„Vereinigten sie sich glücklich mit ihnen?“
„Leider nicht. Der Mandarin stieß auf Hindernisse, und die Knaben konnten unmöglich länger warten. Sie sind also fort und spurlos verschollen. Als später die Mutter mit ihren Töchtern befreit wurde und den festbestimmten Ort aufsuchte, kam sie zu spät. Die Söhne waren fort, und sie hat nie wieder etwas von ihnen vernommen.“
„Was hat sie dann begonnen?“
„Sie mußte natürlich die Provinz verlassen, da sie dort gewiß ergriffen worden wäre, und zog als Bittende in der Fremde von Ort zu Ort. So kam sie mit den beiden Mädchen auch zu mir. Ich fragte nach ihrem Namen und Herkommen. Ihr Stamm- und Geschlechtsname stimmte mit denen meiner Familie; ich erkundigte mich weiter und erfuhr, daß ihr Vater ein Vetter des meinigen gewesen sei. Ich hatte weder Weib noch Kind und nahm alle drei bei mir auf. Kurz nach dieser Zeit mußte ich Hu-nan verlassen und zog in die Provinz Yu-nan, von wo ich erst seit kurzem zurückgekehrt bin.“
„Und die drei Personen sind mit zurückgekehrt und wohnen bei Ihnen?“
„Ja.“
„Hat man denn auch von dem Mann nichts vernommen?“
„Nie. Er ist gewiß zugrunde gegangen.“
Die Spannung des Methusalem war immer höher und höher gestiegen. Jetzt wußte er sich seiner Sache so gewiß, daß er direkt fragte: „Ihr Stammname ist Seng-ho?“
„Ja.“
„Und Ihr Geschlechtsname Pang?“
Der Chinese sah erstaunt zu ihm auf und antwortete: „Ja, Herr. Wie kommt es, daß Sie als Fremder diesen Namen wissen?“
„Ich glaube, von diesem Fall vernommen zu haben. War der Mann nicht ein Kaufmann namens Ye-kin-li?“
„So ist es.“
„Seine Frau hieß Hao-keu?“
„So heißt sie noch. Sie hat ihren Namen nicht verändert, obgleich dies die Nachforschungen nach ihr, der Flüchtigen, erleichterte.“
„Hießen die Söhne nicht Liang-ssi und Jin-tsian?“
„Herr, Sie wissen ja alles, alles!“
„Und die Töchter Méi-pao und Sim-ming?“
Jetzt machte der Mann ein Gesicht, als ob er das größte Wunder vor sich sehe.
„Hoher Gebieter“, sagte er, „ich weiß wirklich nicht, wie ich es mir erklären soll, daß Sie als Fremdling alle diese Namen so genau kennen!“
„Sie brauchen sich nicht anzustrengen, es zu erraten; ich werde es Ihnen später mitteilen. Indem ich Sie nach diesen Verhältnissen und Namen fragte, hatte ich eine gewisse Absicht, von welcher jetzt noch nichts verlauten soll. Ich ersuche Sie infolgedessen, gegen keinen meiner Gefährten etwas von dem, was wir gesprochen haben, zu erwähnen. Es ist niemals gut, von vergangenen, unangenehmen Dingen zu sprechen.“
Dies schien den Chinesen, welcher wohl eine Erklärung erwartet hatte, nicht zu befriedigen; er
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