32 - Der Blaurote Methusalem
Händen tragen zu lassen. Es jibt ja keine Reise um die Welt, sondern es jeht nur hübsch von Haus zu Haus. Ich sehe jar nicht ein, warum wir auf unsern jewöhnlichen Festeinzug verzichten sollen. Jehen wir also nicht mit die Beine andrer Leute, sondern mit unsren eigenen! Nicht?“
„Mir ist es sehr recht“, antwortete der Blaurote.
„Soll ich die Pipe anzünden?“
„Ja.“
„Schön! Dat wird mehr Eindruck machen als dat ‚Laufen in die Sänfte‘, wie wir es in Hongkong von einem jewissen Jemand jesehen haben.“
„Schweigen Sie!“ gebot ihm Turnerstick. „Konnte ich denn dafür, daß der Fußboden unter mir flöten ging?“
„Nein. Aber dafür konnten Sie, dat jerade Sie sich in die Weltjejend befanden, wo die Sänfte flötete. Ich habe allen Respekt vor solchen Kastens. Also jehen wir lieber, als dat wir in den Palankins jegangen werden!“
Das geschah. Der kleine Zug setzte sich vor dem Haus in der schon oft erwähnten Weise und Reihenfolge in Bewegung, was auf die draußen Versammelten einen außerordentlichen Eindruck machte. Sie hatten die Mäuler ebensoweit offen wie die Schlitzaugen und wagten kein lautes Wort zu sprechen. Schweigend und in ehrfurchtsvoller Weise folgten sie den Fremden, um, als dieselben in das Häuschen des Mohammedaners getreten waren, sich vor demselben aufzustellen.
Das kleine Gebäude enthielt ein sehr sauber sich präsentierendes Vordergemach und einen kleineren Hinterraum, welcher zugleich Frauenstube und Küche zu sein schien. Von den weiblichen Bewohnern zeigte sich keine. Dies ist überhaupt chinesische Sitte, an welcher hier um so mehr festgehalten wurde, als der Besitzer des Hauses zum Islam übergetreten war.
Trotz dieses letzteren Umstandes zeigte der Hoei-hoei von den Gebräuchen, welche den Mohammedanern für die Mahlzeiten vorgeschrieben sind, nicht die geringste Spur. Es geschah alles in chinesischer Weise. Er nahm nicht mit an dem Tisch Platz, sondern blieb stehen, um seine Gäste zu bedienen.
Es gab das Mahl eines armen Mannes, welcher einmal, weil er einen Reichen bei sich bewirtet, einen tieferen Griff in seinen Beutel machen muß. Eine große Auswahl hatte das kleine Dorf nicht bieten können, und da die Zeit zur Zubereitung warmer Gerichte zu kurz gewesen war, so waren nur kalte Speisen aufgetragen worden.
Eine lebhafte Unterhaltung würzte das frugale Mahl. Der Wirt sah, daß seine Gäste mit ihm zufrieden seien, und war darüber so entzückt, daß er sich entschloß, den Beutel vollends für sie zu leeren. Er sagte: „Gern hätte ich die hohen Herren besser bewirtet, aber es war mir nur eine sehr kurze Frist zur Vorbereitung gewährt. Doch wenn die hoch Willkommenen mein Haus heute abend abermals beehren wollen, so werden sie ein Mahl finden, welches ihrer würdig ist.“
„Ja, wir werden kommen“, antwortete der Methusalem. „Aber ich stelle dabei eine Bedingung, welche Sie zu erfüllen haben.“
„Welche ist es?“
„Daß Sie alles aufbieten, dieses Mahl zu einem wirklichen Fest- und Freudenmahl zu machen.“
Da wurde dem guten Mann angst. Er blickte verlegen vor sich nieder und sagte dann: „Herr, Sie wissen, daß ich arm bin, und ich weiß nicht, welche Ansprüche in Ihrem Land an ein solches Festmahl gemacht werden.“
„Unsre Ansprüche werden befriedigt werden, trotzdem Sie arm sind. Wir werden mit dem Wirt des Einkehrhauses sprechen. Er soll alles, was wir essen und trinken werden, bei sich bereiten und zu Ihnen senden. Nur unter dieser Bedingung nehmen wir Ihre Einladung an.“
Man sah dem Hoei-hoei an, daß ihm ein Stein vom Herzen fiel. Er stimmte schleunigst zu. Noch größer aber als diese gehabte Verlegenheit war diejenige, welche ihm nach dem Essen von dem Methusalem bereitet wurde, denn dieser sagte: „Wir sehen, daß wir Ihnen wirklich willkommen sind, und sagen Ihnen herzlichen Dank dafür. Bei solchen Gelegenheiten schreibt uns die Sitte unsrer Heimat eine Höflichkeit vor, welche wir auch hier befolgen möchten, wenn Sie uns das erlauben.“
„Erlauben? O Herr, Sie haben doch nur zu befehlen, und ich werde gehorchen.“
„Wirklich?“
„Ja, augenblicklich.“
„Gut, ich verlasse mich auf Ihr Wort. Es ist nämlich bei uns Vorschrift, sich nach dem Mahl bei den Frauen und Töchtern des Hauses persönlich zu bedanken. Wollen Sie darum die Blumen Ihrer Familie ersuchen, uns durch ihr Erscheinen zu erfreuen, damit wir ihnen sagen können, welche Dankbarkeit und Ehrerbietung wir ihnen widmen!“
Der
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