32 - Der Blaurote Methusalem
anzubieten.“
„Diese Huld ist mir hochwillkommen, da ich weiß, daß die Freundlichkeit des mächtigen T'eu oft mehr vermag als so ein Kuan.“
„Es ist wahr; es ist mir zuweilen möglich, jemand nützlich zu sein. Ihre glanzvollen Namen haben einen sehr fremden Klang. Nur ein einziger ist dabei, welcher unserer Sprache angehört, Liang-ssi. Welcher der hohen Herren trägt denselben?“
„Der Betreffende ist im Augenblick nicht hier, wird aber auch noch die Ehre haben, Ihnen seinen ehrfurchtsvollen Gruß zu sagen. Vielleicht kennen Sie ihn. Er steht im Dienst des Herrn Sei-tei-nei in Ho-tsing-ting.“
„Den kenne ich allerdings. Es ist ein sehr tüchtiger junger Mann, welcher sich viel auf Reisen befindet, die er im Interesse des Geschäfts seines Herrn unternimmt. Darum habe ich ihn nur ein einziges Mal bei demselben gesehen. Ich bin oft in Ho-tsing-ting, und der Besitzer der Feuerbrunnen ist mir ein lieber Freund. Er hat sich sehr um meine Untergebenen verdient gemacht, da er nur solche Arbeiter anstellt, welche sonst kein Unterkommen haben und ihm von mir empfohlen werden. Er steht infolgedessen unter meinem ganz besonderen Schutz, und ich werde niemals dulden, daß der Besitzer des Ölwerks aus dem Grunde, daß er ein Ausländer ist, geschädigt wird. Sie sind also mit Liang-ssi gereist, willkommener Herr?“
„Ja. Wir kommen von Kuang-tschéu-fu und wollen morgen früh zu Sei-tei-nei.“
„Zu meinem Freund? Verfolgen Sie bei diesem Besuch eine gewisse Absicht?“
„Ja. Ich will ihm den Sohn seines Bruder zuführen, den er eingeladen hat.“
„Wirklich? Ich weiß, daß er nach demselben geschrieben hat. Ist es dieser junge Herr, welcher neben Ihnen sitzt? Ich habe in dem Paß zu meiner Verwunderung den Namen Li-cha-la-da Sei-tei-nei gelesen.“
Der T'eu konnte das ‚r‘ nicht aussprechen; er verwandelte es in ein ‚l‘. Li-cha-la-da oder eigentlich Ri-cha-ra-da ist die chinesische Aussprechung des Namens Richard.
Als der Methusalem die Frage bejahte, begrüßte der Bettlerkönig den Gymnasiasten noch einmal besonders und versicherte ihn seines Schutzes, welcher ihm vielleicht von Vorteil sein könne.
„Daß dieser Schutz ein starker ist, haben wir bereits an uns erfahren“, sagte Degenfeld. „Wir befanden uns in großer Gefahr; unsere Feinde verwandelten sich aber sofort in Freunde, als wir ihnen bewiesen, daß Sie Ihre mächtigen Hände über uns halten.“
Der T'eu machte eine Bewegung des Erstaunens und fragte: „Wer waren diese Leute?“
„Die Kuei-tse. Sie begegneten uns unterwegs.“
„Das sind allerdings Leute, denen ein Bekenner des Buddha und überhaupt jeder Andersgläubige am besten aus dem Weg geht. Aber wie konnten Sie sich auf mich berufen? Wie konnten Sie, von denen ich nichts gewußt habe, ihnen beweisen, daß ich Ihr Beschützer bin? Mir selbst ist das ja unbekannt?“
„Ich zeigte ihnen diesen zweiten Kuan, welchen ich besitze.“
Er gab ihm den Schutzbrief in die Hand, und es war im höchsten Grade interessant, das Gesicht zu sehen, welches der T'eu machte, als er denselben erblickte.
„Wie? Mein eigener Kuan!“ rief er aus. „Und zwar ein Kuan erster Klasse, von denen ich nur sehr wenige ausgegeben habe! Ich ersehe aus dem nur mir kenntlichen Zeichen, daß es der Kuan meines Schwiegersohns in Kuang-tschéu-fu ist!“
„Sie meinen Hu-tsin, den Juwelier. Es gelang uns, ihm einen kleinen Dienst zu erweisen, und da er hörte, daß wir in das Innere des Landes gehen wollten, wo Beschwerden oder gar Gefahren uns erwarten konnten, so rüstete er uns mit diesem Kuan aus, von dessen Wert wir einen so überzeugenden Beweis erhalten haben.“
„Sie haben meinem Hu-tsin einen Dienst geleistet? Das kann kein gewöhnlicher gewesen sein, denn einer alltäglichen Gefälligkeit wegen würde er sich nicht von diesem Paß getrennt haben. Darf ich erfahren, was geschehen ist, und wie Sie mit ihm bekannt geworden sind? Soeben bringt man den Tee. Ich lade Sie demütig ein, denselben mit uns zu trinken. Dabei können wir von meinem Schwiegersohn sprechen.“
„Ich werde Ihnen gern von ihm erzählen, doch handelt es sich um ein Ereignis, welches wir in der Art zu einem glücklichen Ende führten, daß man nur im Vertrauen von demselben sprechen kann.“
„Das können Sie. Diese Männer sind meine Offiziere, meine Freunde, vor denen ich kein Geheimnis habe; sie können alles hören, was Sie zu sagen haben.“
Der Wirt hatte den schnell bereiteten Tee gebracht. Er hatte
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