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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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diesem schritten Turnerstick und Mijnheer van Aardappelenbosch nebeneinanderher.
    Der Kapitän hatte seinen kleinen, gegen den Holländer gehegten Groll aufgegeben. Der letztere war überhaupt ein Mann, dem man höchstens nur auf Minuten zürnen konnte.
    Eigentlich brauchte es gar nicht wieder erwähnt zu werden, daß ihr Erscheinen das größte Aufsehen erregte. Besonders spaßhaft nahm sich der Mijnheer neben dem Talmi-Mandarin aus. Er hatte sich nicht entschließen können, seine Gewehre und den Tornister im Hotel zu lassen; er trug die drei Gegenstände in der schon beschriebenen Weise auf dem Rücken und hatte darüber seinen Riesenschirm gespannt.
    So wanderten sie langsam und gravitätisch nach dem Kai, um zu der Dschunke zu gelangen. Sie entfernten sich dabei aus der Gegend, in welcher die europäischen Schiffe vor Anker lagen.

FÜNFTES KAPITEL
    Auf der ‚Schui-heu‘ nach Kanton
    Die chinesischen Fahrzeuge sind ganz geeignet, das Auge des Europäers, welcher noch keins derselben gesehen hat, auf sich zu ziehen.
    Die großen Handelsdschunken sind ungeschlachte Schiffe von bedeutender Größe, deren Vorder- und Hinterdeck bedeutend höher ist als der Mittelbord, was ihnen ein seltsames Aussehen gibt. Sie ragen mit nilpferdartiger Unbehilflichkeit aus dem Wasser.
    Ihr Stern ist sehr breit, gleich demjenigen eines altholländischen Linienschiffes, bunt bemalt und zuweilen vergoldet, und das Deck ist mit einem ungeheuren Strohdach, welches das Fahrzeug noch viel schwerfälliger erscheinen läßt, versehen.
    Die Masten, welche ungemein dick sind, aus einem einzigen Stück bestehen und keine Stengen haben, tragen an der Spitze eine Rolle, durch welche ein schweres, starkes Tau läuft, mit dessen Hilfe das gewichtige Mattensegel aufgehißt wird.
    Das Vorderteil ist meist rot bemalt. Rechts und links vom Steven erblickt man je ein Auge, oft vier bis fünf Fuß im Durchmesser haltend und in möglichst grellen Farben gemalt. Von diesen beiden Augen, welche einen eigenartig glotzenden Ausdruck zeigen, haben die Dschunken den allgemein gebräuchlichen Namen ‚Lung-yen‘ d.i. Drachenaugen erhalten. Sie sollen dem Schiff jenen drohenden Ausdruck verleihen, durch welchen böse Geister und andre unirdische Ungetüme, welche sich zu gewissen Zeiten zur Erde und besonders in das Wasser niederlassen, vertrieben werden sollen. Das Wort Dschunke bedeutet Schiff und lautet im Hochchinesischen ‚dschuen‘, in der Mundart von Kanton aber ‚dschonk‘.
    Die größeren Dschunken haben bis 500 Tonnen Gehalt und sind dreimastig. Sie sind leicht und kunstlos zusammengefügt, so daß sie eine schwere See und die Schüsse von großen Geschützen nicht ertragen können. Dennoch haben selbst Handelsdschunken wegen der mit Recht gefürchteten Flußpiraterie eine oder sogar zwei Kanonen an Bord. Sie können wegen der Einfachheit ihrer Takelage und ihres Segelwerkes nicht lavieren, sondern nur mit günstigem Wind fahren und daher z.B. zwischen China und Java oder Singapore jährlich nur eine Hin- und Rückreise machen, weil dort halbjährige Winde, die sogenannten Monsuns, wehen, welche nur auf einer Tour günstig sind.
    Die Kriegsdschunken sind etwas schärfer und besser gebaut, auch nicht so sehr hochbordig. Sie segeln nicht schlecht, eignen sich aber dennoch nur für Flüsse und die Küstenstrecken, da sie schwere See nicht bewältigen können. Sie führen gewöhnlich vier bis sechs Drei- oder Vierpfünder an den Seiten, einen oder zwei Sechs- bis Neunpfünder im Vorderteile und zuweilen auch im Stern einige kleine Kanonen. Mehrere Gingals oder Wallbüchsen mit einem sechs bis acht Fuß langen Lauf und einer zwei Zoll lichten Mündung drehen sich in Zapfen auf ihren Gestellen, welche an den Seitenborden befestigt sind. Die Mannschaft ist mit Luntenflinten, Lanzen, Säbeln und Schilden bewaffnet, doch haben viele auch noch Bogen und Pfeile im Gebrauch. Erst in der allerneuesten Zeit erblickt man hier und da einmal ein Gewehr besserer Konstruktion.
    Die Segel werden durch fünfundzwanzig bis dreißig Ruder unterstützt. Die Disziplin ist selbst auf den Kriegsdschunken eine echt chinesische. Täglich wird dreimal ein Gebet zu dem Kriegsgott gehalten, wobei ein wahrhaft ohrenzerreißendes Klingeln und Pauken, Brüllen und Schreien nebst Abbrennen von Schwärmern, Raketen und anderem Feuerwerke stattfindet.
    Erst am 8. Juni 1869 lief das erste nach europäischer Weise gebaute Kriegsschiff in Fu-Tschéu vom Stapel. Heutigentags besitzt

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