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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zweierlei möglich; entweder er muß, um sich zu retten, am Räuberhandwerk teilnehmen, oder er wird vollständig ausgeraubt und vielleicht gar getötet, um später nichts verraten zu können.
    Und solcher Piratendschunken gibt es noch gar viele. Die Regierung ist fast ohnmächtig gegen sie. Zehn Kriegsdschunken wagen es nicht, eine gleiche Anzahl von Raubdschunken anzugreifen, denn sie wissen, daß die Bemannung jeder Kriegsdschunke, welche kampfunfähig wird und den Piraten in die Hände fällt, über die Klinge springen muß. Man segelt nicht allzuweit hinan, verpafft einige Zentner Pulver, schreit und brüllt sich heiser, wendet um, opfert der Meeresgottheit Mat-supo einige Tassen Tee und sendet der Behörde den Bericht über einen glorreichen Sieg ein, der gar nicht möglich war, weil überhaupt kein Kampf stattgefunden hatte. So geschieht den Piraten nichts, wenn nicht einmal der Kreuzer einer europäischen Seemacht einige dieser Kiang-lung oder ‚Flußdrachen‘, wie sie dort im Mund des Volkes auch heißen, leck schießt, so daß sie mit Mann und Maus zu Grunde gehen. Es scheint aber ganz so, als ob zehn Lebendige dann an die Stelle eines Toten träten. –
    Als die fünf die Seite der chinesischen Fahrzeuge erreichten, sahen sie Dschunke bei Dschunke liegen, eine so fremdartig und grotesk wie die andre. Aber welch ein Unterschied zwischen diesen Schiffen und den europäischen auf der andern Seite! Während unsre Seeleute eine Ehre darin suchen, ihr Schiff so sauber und nett wie möglich ab- und aufzuputzen und dafür schon längst vor der Landung eifrig tätig sind, sahen diese Dschunken aus, als ob nie ein Tropfen über die Wasserlinie emporgekommen sei. Von den Borden und Tauen hingen schmutzige Fetzen; von überall blickten schmutzige Männer mit schmutzigen Gesichtern, welche sich mit schmutzigen Händen festhielten. Dabei gab es zwischen Kai und Borden allerlei schmutzigen Verkehr, und auf der Wasserseite hinter den Schiffen machten sich schmutzige Boote mit schmutzigen Insassen zu schaffen. Auf dem Kai selbst gab es schmutzige Verkaufsstände mit schmutzigen Verkäufern, und dazwischen riefen ambulante schmutzige Händler ihre schmutzigen Waren aus.
    Ein Zwiebelröster hockte auf der Erde vor seinem kleinen Bratöfchen und schälte Zwiebeln. Der Duft derselben drang ihm in Nase und Augen. Er nieste einen wahren Sprühregen in seine kräftig duftenden Scheiben hinein und brüllte dabei förmlich A-a-abziehhhh, ein Laut, welcher sich auf dem ganzen Erdenrund gleich bleibt. Der Mongole, der Kaffer, der Indianer und der Malaye, die erste Hofdame des Kaisers der Reußen und die koboldartige Frau des Papuaaustraliers, sie alle, alle niesen a-a-abziehhhh. Zuweilen wird eine der beiden Silben aus gesundheitsschädlichem Schicklichkeitsgefühl etwas verkürzt, da ist sie aber stets, wenn auch in Verstümmelung. Hier sollten die Weltsprachfabrikanten der Neuzeit anfassen; ab-zieh oder ha-tzieh sind die beiden Grund- und Ursilben der Menschheit, ihr von der Natur geschenkt, welche, sobald dies einmal vergessen wird, den Vergeßlichen durch einen tüchtigen Schnupfen wieder auf ihren Fingerzeig aufmerksam macht. Was nun speziell diesen Zwiebelröster betrifft, so kam er aus dem Niesen gar nicht heraus, denn so oft ihm die Augen im Wasser schwammen, wischte er sich dieselben, wohl um seine schmutzigen Hände zu schonen, mit einer aufgeschnittenen Zwiebel aus und putzte auch die Nase damit, worauf dann natürlich ein neuer Nieserich explodierte. Die angewischte Zwiebel aber wurde geröstet und dann von den Kunden wohlgemut verzehrt. Käufer hatte er genug.
    Diese und andre Szenen, die sich nicht besonders beschreiben lassen, konnte man häufig genug beobachten, doch es soll damit nicht ein Urteil über die Chinesen ausgesprochen werden. In den Hafenorten sammelten sich eben der soziale Unrat, den beide, das Wasser und das Land, zur Küste treiben.
    Auf einer der schmuckeren Dschunken, die einen verhältnismäßig schlanken Bau und keinen so hohen Vorder- und Achtersteven hatte, war kein Mensch zu sehen. Die Masten ragten kahl empor, denn die großen Mattensegel lagen zusammengerollt auf dem Deck. Die Drachenaugen zu beiden Seiten des Vordersteven waren neu gemalt. Auf dem Achterdeck standen einige Gefäße mit blühenden Gewächsen; kein schmutziges Wäschestück war zu sehen, und auch sonst ließ sich erkennen, daß der Eigentümer dieses Schiffes etwas mehr auf Sauberkeit und Ordnung halte als andre

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