32 - Der Blaurote Methusalem
Fleisch, sondern nach der Hand des Gebers. Er nahm es auch dann nicht, als der Methusalem selbst es ihm hinreichte. Das Mißtrauen des Hundes war glücklicherweise ebenso groß wie die Unvorsichtigkeit seiner Herren. Später versuchte der angebliche Malaie es noch einmal, ihn zu Annahme des vergifteten Fleisches zu bewegen, jedoch mit ganz demselben Mißerfolg. Die Hoffnung der Chinesen, den Hund auf diese Weise töten zu können, erwies sich also als vergeblich.
Desto größere Mühe gaben sie sich, die Gäste zum Trinken zu bewegen, und das gelang ihnen freilich weit besser. Nur hatten sie sich getäuscht, als sie glaubten, denselben gar so leicht einen tüchtigen Rausch beizubringen. Die vier Personen blieben trotz des bedeutenden Quantums, welches sie vertilgten, vollständig nüchtern.
Dagegen zeigte sich bei den Chinesen sehr bald die Wirkung des Sam-chu. Der Sohn des Reiches der Mitte besitzt überhaupt nicht die Eigenschaft, starke Getränke vertragen zu können, und so bemerkte der Ho-tschang, daß der starke Reisbranntwein eine nicht wünschenswerte Wirkung auf ihn äußere. Das Benehmen seiner Kameraden verriet, daß auch sie begannen, duselig zu werden. Das mußte verhindert werden, da er mit betrunkenen Leuten seinen Plan nicht auszuführen vermochte. Er ließ also für sich und sie einen schwachen Tee in die Tassen gießen, was die Gäste nicht bemerken konnten, da dieser Aufguß fast genau die Farbe des Sam-chu hatte.
Aber diese List war nicht von langer Dauer. Der Methusalem hielt seinen Gastgebern, um ihnen seinen Dank auszudrücken, eine kurze Rede und forderte dann den Ho-tschang auf, mit ihm eine Freundschaftstasse, das heißt, mit gegenseitig verschlungenen Armen zu leeren. Er schob seinen linken Arm in den rechten des Chinesen. Dabei mußte die Tasse des letzteren so nahe an der Nase des Blauroten vorüberpassieren, daß dieser den Teegeruch bemerkte. Er griff sogleich nach der Tasse, zog sie aus der Hand des Ho-tschang und kostete von dem Inhalt.
„Tee! Brrrr!“ rief er aus. „Schämt euch doch! Ich habe wohl gesehen, daß ihr uns einen Rausch antrinken wollt, aber wenn ihr dabei so unehrlich handelt, so trinkt euern Tscha allein. Wer nicht mit gleichen Waffen mit uns kämpft, mit dem haben wir nichts zu schaffen. Nehmt unsern Dank und laßt uns gehen!“
Die Chinesen widersprachen nicht. Sie glaubten, ihre Gäste hätten genug getrunken, daß das genossene Opium die beabsichtigte Wirkung tun werde. Die Reisenden zogen sich in ihre Kajüte zurück. Dabei kamen sie hinter den Landkarten an der Stelle vorüber, an welcher die Tassen gefüllt worden waren. Der Mijnheer sah den Krug stehen, in welchem sich noch ein ziemliches Quantum des Sam-chu befand, roch daran und sagte: „Ik neem den brandewijn met; hij is zeer goed.“
Er ergriff den Krug und trug ihn, als ob er das größte Anrecht auf denselben habe, nach der Kajüte.
Die Chinesen waren über diese Unverfrorenheit nicht etwa zornig; o nein, sie freuten sich vielmehr derselben, denn wenn die Gäste den Krug vollends leerten, so mußten sie mit vollster Sicherheit in einen tiefen Schlaf verfallen und konnten dann um so leichter überwältigt und ausgeraubt werden.
Der Methusalem wußte nicht, ob er über die Formlosigkeit des Dicken lachen oder schelten solle. Er versuchte es mit dem letzteren, denn er ahnte nicht, daß ihm der Sam-chu noch vom größten Vorteil sein werde, kam aber nicht weit, denn der Mijnheer schnitt ihm die Strafrede mit den Worten ab: „Deze Keerls hebben thee gedronken en ons dezen brandewijn gegeven; daarom is hij onze brandewijn; wij worden hem drinken. Hij is goed, zeer goed. Ik word hem niet staan laten!“
Gegen dieses Argument war nichts zu machen, zumal es in einer so drolligen Weise vorgebracht wurde, daß man darüber lachen mußte.
Turnerstick holte zwei der draußen noch brennenden Laternen herein, um die Kajüte zu erleuchten, was ihm nicht verwehrt wurde, und darauf verriegelte Gottfried von Bouillon die Tür. Die Reisenden hüllten sich in ihre Decken, um sich schlafen zu legen.
Sie fühlten sich jetzt von einer ganz außerordentlichen Müdigkeit ergriffen, und doch vermochten sie nicht, sofort zu schlafen. Sie waren innerlich erregt. Ihr Blut kreiste schneller als gewöhnlich, und ihre Pulse befanden sich in einer Anspannung, welche dem Reisbranntwein unmöglich zugeschrieben werden konnte. Das fiel ihnen natürlich auf.
„Dieser armselige Sam-chu!“ räsonierte Gottfried. „Dat ist
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