32 - Der Blaurote Methusalem
fremdartige Brühe mit den Stäbchen bis auf den letzten Tropfen auszulöffeln.
„Fein, außerordentlich fein!“ meinte der Kapitän, indem er mit der Zunge schnalzte.
„Ja wel!“ nickte der Dicke vergnügt. „Ongemeen heerlijk, op mijn woord!“
„War es wirklich so herrlich, so vortrefflich?“ fragte ihn der Methusalem.
„Gewis, op mijne eer!“
„Und wissen Sie, was Sie gegessen haben?“
„Natürlich!“ fiel Turnerstick ein. „Salangannester!“
„Unsinn! Diese Kerls werden uns mit indianischen Vogelnestern traktieren! Das würde ihnen, selbst wenn sie welche hätten, gar nicht einfallen.“
„Nun, was soll es dann gewesen sein?“
„Rindshaut, fein geschnitten und zu Gallerte versotten. Das gibt eine Brühe, welche derjenigen der Vogelnester leidlich ähnlich ist.“
„Alle Wetter! Wenn das wäre! Verzehrt man denn in China auch die Felle der Ochsen und Kühe?“
„Allerdings. Es gilt das sogar als ein ganz vorzügliches Gericht.“
„O mijn god, o mijn schepper!“ jammerte da sofort der Dicke, indem er mit den Händen nach dem Leibe fuhr. „Ik ben ziek, ik ben ziek!“
„Siech sind Sie? Krank? Was fehlt Ihnen denn?“
„Ik heb een gezwel in de maag.“
„Ein Geschwür im Magen? Hm!“
„En een aanval in de lever. Wat zegt het woordenboek van de lever?“
„Ihr Leberanfall wird wohl nicht von solcher Bedeutung sein, daß er uns zwingt, ein medizinisches Wörterbuch zu Rate zu ziehen. Lassen wir die gekochte Kuhhaut also auf sich beruhen, und essen wir weiter. Da kommt ein neues Gericht. Das sind Seekrebse, wie es scheint.“ Sofort hellte sich das Gesicht des Dicken wieder auf.
„Zeekreeften?“ rief er. „God dank, deze ete ik!“
Er nahm sich den größten Hummer, welcher vorgelegt wurde, und schien vor Freude über diesen ‚Zeekreeft‘ das ‚Gezwel‘ und den ‚Aanval‘ vollständig vergessen zu haben.
Nach diesem Gang gab es noch gesottene Fische als letzte Nummer des Speisezettels. Es waren also nicht allzu viele Gerichte gewesen. Die Gastgeber schienen es mehr auf das Trinken als auf das Essen abgesehen zu haben, denn zwischen jedem Gang wurden die Tassen zweimal mit Sam-chu gefüllt, und da der Ho-tschang die seinige immer schnell austrank, mußten die andern folgen und die Gäste auch dasselbe tun. Dieser Sam-chu ist, gut zubereitet, ein leicht berauschendes, dem Arak ähnliches Getränk, welches die Chinesen sehr zu lieben schienen, da sie es tassenweise tranken.
Durch die Seemannskehle Turnersticks war mancher starke Rum und steife Grog gerollt, und Mijnheer van Aardappelenbosch hatte so viele Genevers genossen, daß der Sam-chu diesen beiden nicht wohl gefährlich sein konnte.
„Wir trinken mit und wollen sehen, ob sie uns oder wir sie unter die Tische trinken“, sagte der erstere.
„Ja, wij drinken tapper met!“ nickte der Dicke. „Ik drink als een nijlpaard.“
Der Methusalem und Gottfried von Bouillon hatten gar manches Fäßchen Gerstensaft mit ausgestochen; auch sie fürchteten sich vor dem Sam-chu nicht. Aber Richard fühlte sich der Stärke desselben nicht gewachsen. Er hatte von der ersten Tasse nur einmal genippt und das Zeug dann nicht wieder berührt. Auf die wiederholte Aufforderung Turnersticks, doch noch einen Schluck zu versuchen, antwortete er: „Ich mag nicht. Ich mag überhaupt keinen Schnaps und diesen nun schon gar nicht. Er ist mir zu bitter.“
„Zu stark, wollen Sie wohl sagen.“
„Nein. Er hat einen bitteren Nebengeschmack, der mich anwidert. Mir scheint, dieses Bittere gehört gar nicht eigentlich in das Getränk.“
„Hm! Marzipan wird freilich nicht dazu genommen.“
Er glaubte ebenso wie die andern, daß der Sam-chu diesen Beigeschmack haben müsse. Auch achtete er ebensowenig wie sie darauf, daß die geleerten Tassen nicht am Tisch, sondern hinter den Landkartenvorhängen wieder gefüllt wurden. Wäre er imstande gewesen, es zu sehen, so hätte er bemerkt, daß dort aus zweierlei Gefäßen eingegossen wurde. In dem einen befand sich Sam-chu mit Opium, welchen nur die Gäste bekamen.
Der Neufundländer saß zwischen seinem Herrn und Richard Stein. Er wich keinen Augenblick von ihnen und beobachtete jede Bewegung der Chinesen mit feindlichen Blicken. Nahte sich ihm zufällig einer, so fletschte er die Zähne und knurrte ihn grimmig an. Ja, als der Ho-tschang ein Stück Fleisch bringen ließ, angeblich um den Hund mit Hilfe desselben auf freundlichere Gesinnung zu bringen, biß dieser nicht nach dem
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