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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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so, scheint nur so. Sie liegt bei, ganz fest bei. Nun warten wir den Morgenwind, welcher bekanntlich nach dem Land bläst, und die Flut ab. Dann geht's nach Hongkong zurück.“
    „Sind wir weit davon entfernt?“
    „Weiß es nicht genau. Habe keine Instrumente mit und kann mich auf die Karten dieses Ho-tschang nicht verlassen. Habe auch unser ‚In die See stechen‘ ganz verschlafen. Vermute aber, daß wir uns noch vor der Mirs-Bai befinden. Muß den Morgen abwarten.“
    „So wollen wir, da es nichts zu tun gibt, uns um unsre vier ersten Gefangenen bekümmern.“
    „Ja, sie liegen ohne Aufsicht und können sich losmachen. Schaffen wir sie alle in die Kajüte, in welcher der Ho-tschang liegt. Da genügt ein Mann, sie zu bewachen.“
    Dieser Vorschlag wurde ausgeführt. Dann wachte Richard an der Luke, Gottfried bei der Kajüte, und die andern beaufsichtigten die im Freien angebundenen Matrosen.
    Was Hunderte für unmöglich gehalten hätten, war gelungen. Sechs Personen, Liang-ssi eingerechnet, hatten sich einer Piratendschunke bemächtigt, deren Bemannung eine zehnmal stärkere war. Die Freude darüber wirkte besser als alle Medizin. Die Reisenden fühlten keinen Kopfschmerz mehr; sie befanden sich so wohl, als ob es weder Sam-chu noch Opium gegeben habe.

NEUNTES KAPITEL
    Das Ende der Raubdschunke
    Degenfeld ging auf dem Deck hin und her. Er kam an Liang-ssi vorüber, blieb bei ihm stehen und sagte: „Vorhin, als Sie zu uns in die Kajüte kamen, gab es keine Zeit zu eingehenden Erkundigungen. Jetzt ist die Gefahr hoffentlich vorüber, und nun möchte ich Sie fragen, wie Sie mit unsrem Landsmann Stein bekannt geworden sind. Wie lange befinden Sie sich bei ihm?“
    „Nach Ihrer Rechnung genau seit vier Jahren.“
    „Ist die Provinz Hu-nan Ihre Heimat?“
    „Nein. Ich stamme aus der Nachbarprovinz Kwéi-tschou.“
    „Ah, das ist mir höchst interessant!“
    „Das glaube ich, denn Kwéi-tschou ist die interessanteste Provinz des ganzen Reiches.“
    „Warum?“
    „Weil dort die Seng und Miao-tse wohnen.“
    „Das ist richtig. Man hält sie für Überreste der Urbevölkerung von China, und sie sind seit mehr als drei Jahrtausenden dem spezifisch chinesischen Volkselement fern- und fremdgeblieben. Aber das war es nicht, was ich meinte. Ich interessiere mich für diese Provinz, weil ich hin will.“
    „Sie nach Kwéi-tschou? Herr, das ist gefährlich!“
    „Mag sein, aber ich muß hin, denn ich habe es mit meinem Ehrenwort versprochen. Sind Sie dort bekannt?“
    „Nicht allzu sehr, da ich die Heimat seit acht Jahren meiden mußte. Ihr Ehrenwort haben Sie gegeben?“
    „Ja, mein Kong-Kheou.“
    „Sogar Ihr Kong-Kheou? Wo ist das geschehen? Hier in China?“
    „Nein, sondern in Deutschland, meiner Heimat.“
    „Ist das möglich? Sind dabei auch Tsan-hiang angebrannt worden?“
    „Räucherstäbchen, ja.“
    „Herr, so ist es ein wirklicher Chinese gewesen, welcher Ihnen das Kong-Kheou abgenommen hat!“
    „Allerdings. Er war Kaufmann und hatte in der Stadt, in welcher ich lebte, einen Laden für alle möglichen chinesischen Artikel errichtet.“
    „In Deutschland? Das ist seltsam. Bisher habe ich geglaubt, daß meine Landsleute nur nach dem Süden und Osten, also nach Indien, den Sundainseln und Amerika, nicht aber nach Europa gehen. Er muß sein Vaterland unfreiwillig verlassen haben.“
    „Sie raten das richtige. Er hat China als Flüchtling verlassen müssen.“
    „Hatte er Familie?“
    „Ja. Leider mußte er sie zurücklassen.“
    „Dann wehe ihr, denn sie hat jedenfalls für ihn büßen müssen! Ich habe ganz dasselbe Unglück auch erfahren.“
    „Sie? Mußte ein Verwandter von Ihnen fliehen?“
    „Ja, mein Vater.“
    „Wann?“
    „Vor nunmehr acht Jahren. Ich war damals sechzehn Jahre alt.“
    „Was hatte er getan?“
    „Nichts. Er war unschuldig. Sie werden vielleicht wissen, daß die Taipings eine neue Religion gründen und die herrschende Dynastie stürzen wollten. Fast wäre ihnen das gelungen. Es dauerte lange Zeit und kostete blutige Kämpfe, bis sie überwunden wurden. Sie lösten sich endlich in Banden auf, welche raubend das Land durchzogen und bis in die südlichen Provinzen kamen. Eine derselben warf sich auch nach Kwéi-tschou. Einer der Unteranführer war ein früherer Freund meines Vaters, suchte uns auf und wohnte einige Tage bei uns, ohne daß wir ahnten, daß er zu den Taipings gehörte. Man fand ihn bei uns. Er wurde arretiert und mein Vater mit ihm, obgleich derselbe

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