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321 - In 80 Welten durch den Tag

321 - In 80 Welten durch den Tag

Titel: 321 - In 80 Welten durch den Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
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Erde in ein Zerrbild verwandelt hatte. An die Angst der Menschen, an die Durchhalteparolen von Präsident Schwarzenegger, an die vergeblichen Versuche, die Katastrophe zu verhindern. Und an diesen arroganten Professor aus dem Fernsehen. Wie hieß er doch gleich wieder? Schmeiß? So wie die Fliegen? Nun ja, zu seinem Wesen hätte es gepasst.
    Nein, Smythe! So lautete der Name!
    Tom war stolz darauf, dass er ihm eingefallen war. Das stellte keine Selbstverständlichkeit dar. Selbst für ihn nicht.
    Er hatte den Impakt damals überlebt, ja. Inzwischen war er sich aber nicht mehr sicher, ob das eine so gute Sache gewesen war. Vielleicht hätte er sich ein Privatflugzeug schnappen und zum Einschlagsort fliegen sollen. Dann hätte er den ganzen Mist wenigstens hinter sich gehabt.
    Aber so?
    So ergatterte er einen Platz in einem Bunker unter der Universität, an der er lehrte. Harte Jahre folgten. Eine Zeit des ununterbrochenen Lagerkollers. Irgendwann merkten die Menschen, dass er nicht alterte. Frühere Kollegen, ja, sogar Freunde, wurden misstrauisch. Bis die Stimmung in Zorn und Hass umschlug.
    Plötzlich machte man ihm Vorhaltungen. Es formierte sich eine pseudoreligiöse Gruppe, die den Überlebenden zwar Halt und Trost gab, die aber zugleich mittelalterliche Züge aufwies. Man suchte einen Schuldigen für die Misere – und man fand ihn in dem Mann, der offenbar einen Pakt mit dem Teufel eingegangen war. Wie sonst sollte man erklären, dass er nicht alterte? Oder dass Gott in seinem Zorn den Menschen einen Kometen geschickt hatte?
    Ihm blieb nichts anderes übrig, als aus dem Bunker zu fliehen, bevor die Lage eskalierte.
    »Haste keine Lust, mittm netten Fyste zu plaudern?«, erklang die Stimme des Zahnlosen neben ihm. »Hältst dich für was Bessers, wie?«
    Mühsam kehrte Tom in die Gegenwart zurück und wandte sich dem Kirchenpinkler zu. »Nein, bestimmt nicht. Tut mir leid, aber ich bin in grüblerischer Stimmung.«
    »Grüblerisch, wie? Versuchstn Sinn zu verstehn? Vom Leben und so? Dann lass dich mal nich aufhalten.«
    Mit Schwung drehte sich Fyste um und polterte aus der Kirche, offenkundig beleidigt. Tom machte ihm keinen Vorwurf daraus. Er sah in dem Mann einen typischen Vertreter dieser Welt.
    Inzwischen hatte er sich selbst fast zu einem von ihnen entwickelt. Nach seiner Flucht aus dem Bunker.
    Er konnte sich kaum noch an die Zeit danach erinnern. Merkwürdig, schließlich lag sie noch nicht so lange zurück wie zum Beispiel die vor »Christopher-Floyd«. Aber der Kometeneinschlag schien ungünstige Auswirkungen auf den Verstand der Menschen gehabt zu haben. Auch Toms Gedächtnis und Intelligenz hatten merklich nachgelassen.
    Und so sah er sich in den Jahrhunderten nach seiner Flucht nur planlos von einem Ort zum anderen ziehen. Was er dort erlebt, wen er kennengelernt hatte, wusste er nicht mehr.
    Inzwischen fragte er sich, ob die religiöse Gruppe im Bunker nicht vielleicht recht hatte. War Gott zornig auf die Menschen, weil es einen unter ihnen gab, der mit seiner Unsterblichkeit nicht in den Plan der Schöpfung passte? Strafte er seine Kinder deshalb mit Geschöpfen wie Taratzen, Snäkken und Wulfanen? Hatte er ihnen aus diesem Grund vor kurzem jegliche Technik geraubt?
    Er wusste es nicht. Aber was sollte er tun? Sich umbringen und so die nächste Sünde begehen?
    Toms Blick klammerte sich an das Kreuz an der Wand.
    Falls es dich gibt, Gott, warum sagst du mir dann nicht, was ich tun soll? Wieso schickst du niemanden, der mir deinen Willen zeigt? Weshalb beseitigst du mich nicht einfach aus der Schöpfung?
    Hinter ihm ertönte das Klappern der Kirchentür. Wahrscheinlich war Matti Fyste zurückgekehrt, um mit ihm über das Leben, das Universum und den ganzen Rest zu diskutieren.
    Tom drehte sich um. Und starrte in das hagere Gesicht eines großen Mannes mit weißen, zurückgekämmten Haaren. Der Besucher trug einen bodenlangen Mantel, der ihm das Aussehen eines Rev’rends verlieh.
    Natürlich! Immerhin befand sich Tom in einer Kirche.
    Der Neuankömmling zog ein kleines Kästchen aus der Tasche. In seinem Blick lag ein Hauch von Bedauern.
    »Es tut mir leid«, sagte er. »Aber es muss sein.«
    »Kann ich...«, begann Tom.
    Die Worte Ihnen helfen blieben unausgesprochen. Thomas Ericson starb so schnell, dass er nicht einmal Gott für die Erhörung seiner Gebete danken konnte.
    ***
    Matt fühlte sich wie ein zum Tode Verurteilter im Mittelalter, den man mit einem Wagen zur Hinrichtung karrte. Nur

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