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321 - In 80 Welten durch den Tag

321 - In 80 Welten durch den Tag

Titel: 321 - In 80 Welten durch den Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
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Festland, von der irakischen Hafenstadt Bandar Abbas, herüber.
    Nein, dies war definitiv nicht die Welt, die er kannte. Und er wollte sie so schnell wie möglich verlassen.
    Er aktivierte das Holo-Pad am rechten Handgelenk, das er sich vor ewigen Zeiten angeschafft hatte, um die Tore zu kartographieren. Vor seinem Aufbruch hatten die Archivare das Pad mit dem Transferluminator gekoppelt, sodass er von Hormus aus schnell zum Tor bei Stonehenge springen konnte.
    Auf die Frage, warum sie ihn nicht gleich durch das dortige Tor schickten, hatten sie nur geantwortet: »Weil es außer Betrieb ist.«
    Als der Luminator die Lichtmauer um ihn errichtete, zuckte er zusammen. An diese Art des Reisens würde er sich erst gewöhnen müssen.
    Die Wand verschwand und erlaubte den Blick auf eine veränderte Umgebung. Hormus war gewichen, England erschienen. Dieses technische Wunderwerk funktionierte tatsächlich!
    Ihm blieb keine Zeit, sich darüber zu freuen. Sofort packte ihn ein Sog von hinten und drohte ihn von den Füßen zu reißen. In einer automatischen Bewegung deaktivierte er das Pad und wandte sich um.
    Der Anblick, der sich ihm bot, jagte ihm Schauer des Entsetzens durch den Leib.
    Das Tor ist außer Betrieb.
    Tom hatte sich darunter vorgestellt, dass es sich nicht mehr öffnen ließ. Ein Irrtum! Denn das Tor stand sperrangelweit offen. Und es zerrte alles in sich hinein, dessen es habhaft wurde.
    Das Portal hatte Tom häufig an eine aufrechtstehende Wasseroberfläche zwischen den Monolithen erinnert, die sanft hin- und herwogte. Diesmal jedoch glich sie einer aufgepeitschten See auf der Suche nach Opfern. Sie strahlte ein so helles Licht aus, dass Tom geblendet die Augen zusammenkniff.
    Zweige, Erde, Steine, ja sogar Autos verschlang das Portal. Ein Schrei ertönte, dann sauste ein wild kläffendes Hundchen in Kopfhöhe an Tom vorbei, dicht gefolgt von seinem hysterisch um sich schlagenden Frauchen. Beide verschwanden in dem Lichtsturm.
    Aber nicht nur bewegliche Dinge fielen dem entarteten Tor zum Opfer. Auch feste Umgebung wurde verzerrt und nach und nach aufgesogen. Als würde ein elastisches Tuch langsam durch ein Loch im Tisch gezogen.
    Ansatzweise verstand Tom, was geschah. Die Welten drifteten auseinander, dehnten den zeitlosen Raum und erzeugten darin einen Unterdruck, dem das Tor nicht hatte standhalten können. Es war aufgebrochen und fraß zum Druckausgleich alles in seiner Nähe. Als öffnete man in großer Höhe die Tür eines Flugzeugs.
    Würde dieser Vorgang von allein zum Stillstand kommen? Und falls ja, wann? Wenn das Tor England verschlungen hatte? Die ganze Welt? Das Universum? Am Ende sich selbst?
    Da fiel Tom etwas auf, so offensichtlich und dennoch nicht begreifbar, dass er es bisher nicht bemerkt hatte: Das Tor verschonte ihn!
    Zwar besaß der Sog auch auf ihn eine Wirkung, der er sich nach wie vor entgegenstemmte, aber er übte nicht annähernd die gleiche Gewalt wie auf die Umgebung aus.
    Wer er deshalb der Einzige, der etwas unternehmen konnte? Weil ihn das Tor nicht verschlang? Und hieß das, dieser Steinprophet hatte recht? Tom war der verheißene Retter?
    Doch ganz so einfach würde es nicht werden. Denn auch wenn der Sog an seinem Körper keinen Halt fand, griff er nach Toms Geist. Es fühlte sich an, als zerre ihm das Portal das Leben aus jeder Zelle. Sein Kopf schien mit Watte gefüllt!
    Ein Schwarm kreischender Möwen stob in seinem Verstand auf, umtoste sein Bewusstsein. Von innen klatschten sie ihm an den Schädel. Wieder und wieder, bis er zu platzen drohte.
    Feuchtigkeit rann ihm aus der Nase und über die Lippen. Als er sie ableckte, schmeckte er Blut.
    Er musste... musste...
    Was? Wie lautete sein Auftrag, den ihm die Ari... Arvi... diese Schuppenwesen erteilt hatten?
    Es fiel ihm schwer, einen klaren Gedanken zu fassen.
    Weg! Du musst weg von diesem Sog. Bring dich in Sicherheit, bevor das Tor dir das Hirn auslutscht und dich als sabbernden Idioten zurücklässt...
    nein – nicht weg – sondern auf den sog zu – geh zum tor
    Die zweite Stimme gehörte nicht ihm. Wem dann? Gott? Würde der so leise sprechen? Tom wusste es nicht. Aber er folgte den Anweisungen.
    Ein Schritt. Hin zum Tor. Hin zum alles verschlingenden Schlund.
    Kehr um! Du läufst in den Tod!
    bleib standhaft – du bist der retter – erweise dich als würdig
    Der nächste Schritt. Das Dröhnen im Kopf steigerte sich zu einem qualvollen Crescendo. Wie konnte ein Mensch so ein Getöse ertragen?
    Das kann er nicht.

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