323 - Die Hölle auf Erden
abgesetzt.«
Ariaga grunzte. »Ich werde das an die entsprechenden Stellen weitergeben. In welcher Verfassung befindet sich der Gefangene jetzt?«
»Er ist bei Bewusstsein, aber noch beeinträchtigt von der Droge.«
»Könnte er uns zu seinem Unterschlupf führen?«
»Aber das Versteck wurde verschüttet...«
»Was begraben ist, kann man auch wieder ausgraben.«
Der Professor nickte. »Das ist richtig. Ja, er wäre dazu in der körperlichen Verfassung.«
»Gut. Ich will, dass Sie ihn begleiten und medizinisch betreuen. Er soll Ihnen die Stelle zeigen, wo sein Unterschlupf liegt. Ich gebe Ihnen eine Kompanie mit. Die Männer sollen unverzüglich mit den Grabungen beginnen. Ich will schnelle Resultate.«
Kurosawa verbeugte sich. »Ich werde tun, was in meiner Macht steht, Kommandeur.«
***
Mahó gab ihrem eigenen Bruder Rätsel auf. Gewaltige Rätsel. Kaito erkannte sie gar nicht mehr wieder.
Jahrelang hat sich ihr Zustand nicht verändert, aber seit letzter Nacht... Seit sie den Fremden fand, scheint sie plötzlich wieder ihre Mitmenschen zu sehen. Nicht nur Vater und Mutter und ihre Brüder...
War es denn möglich, dass sie auf dem Weg der Genesung war? Ganz von allein? Ohne operativen Eingriff?
Die Vorstellung, seine Spitzeldienste für Tadamichi Ariaga könnten völlig unnötig gewesen sein, lag wie ein Schatten auf Kaitos Gemüt. Andauernd musste er an Shi Kao denken, der unschuldig hinter Gittern saß – wegen ihm. Weil er sich von Ariaga hatte umgarnen lassen.
Ich tat es für dich, Schwester. Nur für dich.
Er wünschte, sie hätte seine Gedanken hören – und ihm verziehen können. Er selbst konnte sich nicht verzeihen.
Die beiden Fremden schienen keinerlei Arglist gegen Mahó zu hegen. Freundlich – ja, fast freudig – begrüßten sie das Mädchen, das seinerseits keine Scheu zeigte.
Mahó hüpfte von Stein zu Stein auf sie zu und unterhielt sich angeregt mit ihnen. Kaito versuchte Wortfetzen aufzuschnappen, aber die Entfernung war zu groß.
Dafür hörte er kurz darauf etwas anderes. Hinter sich!
Er drehte sich um und versuchte, das Unterholz mit seinen Blicken zu durchdringen.
Stimmen. Geräusche.
Anschwellend. Sich nähernd.
Leichtfüßig eilte Kaito ein Stück weit in die Richtung, aus der ihn der Lärm erreichte. Aus der Deckung eines Gebüschs heraus erspähte er schließlich einen Trupp Soldaten, ähnlich dem, den er am Morgen zum Tempel geführt hatte. Nur zahlreicher und nicht nur mit Pistolen bewaffnet, sondern auch mit Pickeln und Schaufeln!
Was haben sie vor?
Zunächst hatte Kaito angenommen, sie wären zum Tempel unterwegs. Doch nun sah er, dass sie den Pfad verließen und genau auf ihn zuhielten.
Dabei sah er auch die beiden nicht uniformierten Gestalten, die mit ihnen marschierten. Verblüfft erkannte er den vermeintlich Toten, der im Tempel wieder zu sich gekommen war, sein Aussehen verändert hatte und später von Armeeangehörigen in die nahe Stadt gebracht wurde. Er trug Ketten, die ihm das Gehen ermöglichten, ihn ansonsten aber in seinen Bewegungen einschränkten. Bei ihm war ein schmächtiger Mann in Zivil, der ab und zu etwas zu ihm sagte – und offenbar auch Antwort erhielt.
Kaito versuchte gar nicht erst, sich einen Reim auf das Gesehene zu machen. Hastig zog er sich zurück und begab sich in Windeseile zu dem Geröllfeld, wo Mahó immer noch ahnungslos mit den Fremden schwatzte.
Ohne lange zu überlegen, rannte er auf sie zu, die Hände erhoben, um zu signalisieren, dass er keine bösen Absichten hegte.
Mahó entdeckte ihn zuerst und winkte. Kaito konnte nur hoffen, dass ihn sein Bauchgefühl nicht getäuscht hatte und er die beiden Fremden richtig einschätzte, sonst...
***
»Ein Mönch!«, sagte Xij.
Matthew nickte. »Mahó scheint ihn zu kennen. Allerdings kommt er mir auch bekannt vor. Und ich kann nicht sagen, dass ich ihn in allzu guter Erinnerung habe...«
»Jetzt erkenne ich ihn auch«, sagte Xij. »Das ist der Kerl, der Grao ans Messer geliefert hat.« Sie wandte sich an das Mädchen. »Mahó – hattest du nicht gesagt, das sei dein Bruder?«
»Kaito«, sagte Mahó. »Das ist Kaito.« Sie winkte unverdrossen weiter. Und ihr Bruder näherte sich mit demonstrativ erhobenen Händen.
Sekunden später kam er bei ihnen an, beugte sich kurz zu Mahó herunter und strich mit dem Handrücken seiner Rechten über ihre rosigen Wangen. »Du musst hier fort.« Er wandte sich an Matt und Xij auf. » Wir müssen fort von hier.«
»Langsam, langsam«,
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