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33 - Am Stillen Ozean

33 - Am Stillen Ozean

Titel: 33 - Am Stillen Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gelesen.“
    „Hast du das Meer ausgetrunken, wenn du einen Tropfen genossen hast? Es gibt viele Millionen, welche Jesus anbeten, und von diesen Millionen hat wieder gar mancher viele Tausende von Büchern, von denen du noch gar nichts vernommen hast. Ihr habt Mühlen, um viele Gebete zu fertigen, und wir haben Mühlen, welche an einem einzigen Tag Tausende von Büchern schreiben.“
    Er machte ein sehr erstauntes Gesicht.
    „Dann sind die Schabi von Je-sus sehr kluge Leute. Wie heißt das Kloster, in welchem er wohnt?“
    „Er wohnt im Himmel hoch über den Sternen und hat hier auf Erden Millionen von Klöstern und Tempeln, in denen man ihn anbetet.“
    „Er ist der Sohn des Himmelsherrn“, fiel Schangü ein und teilte nun mit großer Genugtuung die wenigen Kenntnisse mit, welche er sich über die christliche Lehre angeeignet hatte.
    Die andern hörten sehr aufmerksam zu, und ich gelangte zu der Überzeugung, daß die heilige Mission bei den einfachen, arglosen Mongolen ein viel fruchtbareres Feld finden würde, als bei den arglistigen impassablen Chinesen.
    „Habt ihr auch ein Om, mani padme hum?“ fragte schließlich den Schabi des Heiligen.
    „Wir haben viele Gebete. Soll ich euch einige sagen und einige Sprüche aus unserem heiligen Buch?“
    „Sage sie.“
    Ich betete ihnen das Vaterunser und den englischen Gruß vor und erzählte ihnen den Ursprung dieser Gebete. Ich erzählte weiter und weiter; die Sterne stiegen höher und höher; das Feuer verlöschte, es wurde kalt, endlich graute der Morgen. Da erhob sich der Schabi, indem er sagte:
    „Du sprichst die Sprache de Ta-dze (Mongolen) nicht gut, aber deinem Mund ist die Rede gegeben, wie dem Bach das Wasser, und deine Religion ist so hoch wie die Sterne da oben und so tief wie die Sterne, wenn sie gesunken sind. Ich habe den Schlaf versäumt, aber ich habe den Herrn des Himmels und der Erde kennengelernt. Bleibe in Bokte-oola, bis ich wiederkehre; dann werde ich dir zuhören und alles niederschreiben, damit ich es meinen Brüdern sagen kann!“
    Er ließ seinen Tieren die Gebetsmühlen wieder anhängen und brach dann mit seiner Herde auf. Beim Abschied bat er mich:
    „Gib mir ein Wort aus dem heiligen Buch mit auf die Reise, damit meine Seele davon speisen kann!“
    „Du sollst es haben: ‚Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibet, der bleibet in Gott und Gott in ihm!‘“
    „Das ist ein sehr schöner, tiefer Spruch. Gib mir noch einen!“
    „Gott ist ein Geist, und die ihn anbeten, dürfen ihn nicht durch die Tschü-kor, sondern im Geiste und in der Wahrheit anbeten!“
    „Über diesen Spruch werde ich besonders nachdenken. Lebe wohl!“
    Er ritt davon, kam uns aber nach fünf Minuten nachgesprengt.
    „Mein Bruder, erlaube mir jetzt noch eines: Du glaubst, daß der Himmelsherr die Tschü-kor nicht dulden mag?“
    „Ich glaube es.“
    „Warum?“
    „Er hat gesagt: ‚Wenn du betest, so gehe in dein Kämmerlein und bete zu deinem Vater im Verborgenen.‘ Ein Vater hatte zwei Söhne. Der eine saß stets zu seinen Füßen und sprach gern und oft mit ihm; der andere aber war dazu zu bequem; er baute eine Mühle und schrieb darauf alles, was er vom Vater haben wollte. Welchem von den beiden wird das Herz des Vaters gehören, und wessen Bitte wird er lieber erfüllen?“
    „Ich werde darüber nachdenken. Lebe wohl und verlaß Bokte-oola nicht, bis ich komme!“
    Er sprengte seiner Herde im Galopp nach. Ich wußte, daß ein Funken in sein Herz gefallen sei, welcher zur hellen Flamme werden konnte.
    Je mehr wir uns dem Wohnort des großen Heiligen näherten, desto reger wurde der Verkehr. Reiter auf Pferden, zuweilen auch bereits auf baktrischen Kamelen, begegneten uns oder eilten von rechts und links derselben Richtung entgegen. Auf allen höher gelegenen Punkten waren Gebetsmühlen angebracht, und allüberall fand ich das Om, mani padme hum in den Boden gegraben, in die Felsen geschnitten oder en relief aus zusammengelegten Steinen gebildet. Dieses fromme Suchen nach dem rechten Gott auf falschem Weg hatte für mich etwas tief Ergreifendes; ich hätte am liebsten gleich Missionar sein mögen und gestehe gern, daß ich noch niemals so viel über Religion gesprochen habe, als in dieser kurzen Zeit mit Schangü.
    „Hast du nicht gehört, daß der Schabi erzählte, daß acht Oro (Russen) bereits seit langer Zeit Schüler des großen Heiligen sind? Welche Lehre ist nun die richtige?“ fragte er.
    „Diese Oro muß ich erst sehen. Ein echter

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