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33 - Am Stillen Ozean

33 - Am Stillen Ozean

Titel: 33 - Am Stillen Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und richtiger Anbeter des Himmelsherrn verehrt keinen Bokte-Lama.“
    Der Schabi hatte dies wirklich erzählt, und ich muß sagen, daß ich sehr begierig war, sie zu sehen. Es war mir denn doch ganz unmöglich, zu glauben, daß acht Christen, obgleich vom griechischen Bekenntnis, eine solche Sünde auf sich laden könnten.
    Endlich erreichten wir Bokte-oola. Es war nichts als ein großes und sehr weitläufiges Zeltlager. Kein Zelt war ohne Tschü-kor, und der ganze ‚heilige Berg‘, von welchem der Ort den Namen hatte, war von diesen Gebetmühlen bedeckt.
    Schon von weitem konnte ich die ‚Padma‘, die Lotosblume des Heiligen, erkennen. Der Berg stieg nach der Ebene zu fast senkrecht aus derselben empor und hatte hoch oben in der Nähe seines Gipfels eine offene Höhle, deren Öffnung die Form einer Lotosblume zeigte. Von der Höhle hingen zwei Seile herab, welche die einzige Art und Weise bildeten, zum Heiligen zu gelangen. An dem einen kletterte man empor; droben wurde jedem, dem es gelang, sich in die fürchterliche Höhe hinaufzuarbeiten, von dem Heiligen die Hand aufs Haupt gelegt, und dann mußte er hinüber zum andern Seil langen, um sich an demselben wieder hinabzulassen. In die Höhle selbst durfte keiner. Unten stand ein Lama, welcher die Opfergabe in Empfang nahm, die jeder zu entrichten hatte, der empor wollte. Rund um den Eingang der Höhle hatte man mit wahrhaft halsbrecherischer Kühnheit die Formel ‚Om, mani padme om‘ angebracht.
    Eigentlich war es komisch anzusehen, wenn einen sehr hoch Gelangten die Kräfte verließen, so daß er mit rapider Geschwindigkeit niederfuhr und alle hinter ihm am Seil Hängenden mit zur Erde riß, so daß nun alle unter erneuter Opfergabe von neuem beginnen mußten.
    Zwischen dem Zeltlager und dem Berg war die Formel in weiten Zügen auf den Boden gezeichnet, und Hunderte von Pilgern verrichteten ihre Andacht in der Weise, daß sie sich auf dieser Linie fortbewegten und, einer eng hinter dem andern, sich bei jedem Schritt zu Boden warfen. Viele von ihnen hatten sich von den Lamas große Lasten von Büchern aufbürden lassen, welche sie keuchend mit sich schleppten. Sie nahmen an, daß sie, wenn der Weg zurückgelegt war, alle Gebote hergesagt hatten, welche sie auf dem Rücken trugen.
    Übrigens war das Leben und Treiben des Ortes nicht bloß ein rein religiöses. Es hatten sich chinesische Krämer und Geldwechsler eingefunden, und ich erblickte auch einige Teezelte, von denen ich eines sofort in Verdacht nahm, daß man da auch für gutes Geld eine Pfeife Opium haben könne.
    Ich war nicht im Besitz eines Zeltes, da mein Ausflug kein langer sein sollte; ich wohnte vielmehr mit Schangü zusammen. Nachdem wir uns von dem Ritt ein wenig ausgeruht und dann die Andachtsübungen zunächst von weitem beobachtet hatten, traten wir in eines der Teezelte, welches so überfüllt von Menschen war, wie man es auf deutschen Jahrmärkten und Vogelschießen zu sehen bekommt. Wir setzten uns auf eine der erhöhten Matten und tranken einen Tscha, der allerdings besser, aber auch teurer war als Ziegeltee.
    Da drangen Laute an mein Ohr, die mich vor Überraschung beinahe zusammenzucken ließen. Es waren russische Worte, grad hinter meinem Rücken gesprochen, wo sich zwei Männer niedergesetzt hatten, die erst nach uns angekommen waren:
    „Sprich polnisch! Es gibt Chinesen und Mongolen, welche droben an der Grenze gewesen sind und daher ein wenig Russisch verstehen. Wer aus den Bergwerken entsprungen ist, kann nicht vorsichtig genug sein.“
    „Das wird bald sein Ende haben. Was wir ausstanden, ist geradezu unmenschlich, aber der Gedanke, auf den dieser Mieloslaw geriet, ist wirklich großartig. Die Not wird ein Ende haben, und sind wir einmal in Kaitschen oder Kin-tscheu, so sind wir geborgen und kommen dann leicht nach Australien oder Amerika.“
    „Wo hat er denn das Mongolische her, welches er beinahe fließend spricht?“
    „Er gab den Kindern des Aufsehers Unterricht und fand da eine Grammatik, die er benutzte. Weißt du, daß gestern der Alte da oben wieder wenigstens acht blanke Barren hinaufbekommen hat? Für uns grade ein Stück pro Mann. Beim ersten völlig dunklen Abend wird das Geschäft gemacht. Um Pferde brauchen wir uns nicht sorgen; Lebensmittel gibt es auch genug, und so müßte es geradezu eine Unmöglichkeit geben, wenn wir nicht als reiche Leute die See erreichen sollten.“
    Schangü wollte das Zelt verlassen, und ich widersetzte mich dem nicht, denn ich

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