33 - Am Stillen Ozean
erscholl ein schriller Schrei wie hoch aus der Luft, den man im ganzen Lager hören konnte. Nach einer Weile folgte ihm ein zweiter, und draußen erhob sich ein Rennen, Laufen und Schreien, daß die beiden Soldaten nachsahen, was es gäbe. Sie kamen nicht wieder herein.
Nun traten auch wir hinaus und sahen, daß sie fort waren.
Vom heiligen Berg her ertönte ein entsetzlicher Lärm. Schangü eilte davon, ich aber lief zunächst nach dem Zelt der Russen.
Im Innern derselben war es ganz dunkel; ein menschlicher Körper lag hier schnarchend am Boden, und ein unverkennbarer, scharfer Geruch sagte mir, daß der Mann im Opiumrausch liege. Es war der Mandarin.
Jetzt ging auch ich hinaus nach dem Berg. Ich konnte nicht bis an die Seile kommen, aber ich hörte, daß der Heilige einen Menschen aus der Höhle gestürzt habe, welcher ihn berauben wollte. Andere Männer hätten auch an den Seilen gehangen, wären aber auf seinen Schrei entflohen.
Ein anderer wußte bereits, daß der Herabgestürzte einer der Oro sei. Der Sturz aus solcher Höhe hatte seinen Leib vollständig zerschmettert.
Kaum eine Minute später kam eine neue Kunde. Es waren sieben Pferde gestohlen, und es fehlten die sieben anderen Russen. Im Nu zerteilte sich die Menge. Der Mongole kennt kein größeres Gaudium, als einem Pferdedieb nachzujagen. Alles eilte daher nach den Pferden, und während einige emporkletternde Lamas sich um ihren Heiligen bekümmerten, nahm ich mir Zeit, den Toten zu betrachten.
Ich erkannte ihn beim Schein der kleinen Argolflamme, welche angezündet wurde. Es war der Assessor. Er hatte Gott gespottet und sich zum Om, mani padme hum bekannt. Die Höhle da oben führte den Namen Padma, die Lotosblume – er ging vom Kreuz zur Padma und von der Padma in den Tod. Es gibt eine Gerechtigkeit, die über alles menschliche Wollen und Können erhaben ist!
Am andern Tag kehrten nach und nach die Reiter zurück. Hie und da brachte einer eines der geraubten Pferde; von den Räubern aber sprach keiner ein Wort; ich wenigstens konnte nicht erfahren, was mit ihnen geschehen ist.
Der Girl-Robber
Eine Menschenjagd
Ich war mit einem Steamer der Peninsular- and Oriental-Company von Suez nach Ceylon gekommen und in Pont de Galle gelandet. Mein Aufenthalt hier sollte ein nur kurzer sein, denn das Ziel meiner Reise war Bombay, von wo aus ich dann Vorderindien kennenlernen wollte. Verschiedene Umstände jedoch bewirkten, daß ich länger blieb, was ich sehr wohl tun konnte, da ich vollständig Herr meiner Zeit und Bestimmung war.
Wer – ausgedorrt durch die glühende Hitze des arabischen Meeres – ein Land von der Beschaffenheit der Insel Ceylon betritt, fühlt sich von körperlichen und geistigen Rücksichten so gefesselt, daß es ihm schwer wird, es in Kürze wieder zu verlassen. Die großartige Natur der Insel fordert unbedingt den Wissensdurst heraus, und ihre ethnographischen Verhältnisse sind so interessant, daß man sich unwillkürlich zu längeren Studien veranlaßt fühlt.
Jetzt stand ich auf dem Leuchtturm von Point de Galle, versunken in dem Genuß des herrlichen Panoramas, welches sich unten zu meinen Füßen ausbreitete.
In dem Hafen lagen eine Menge Fahrzeuge vor Anker; ein- und auslaufende Schiffe belebten die Szene; es waren unter ihnen alle Gattungen und Größen vom prachtvollsten, gigantischen europäischen Dampfer bis herunter zur erbärmlichen chinesischen Dschunke und zu dem eigentümlich gebauten singhalesischen Landungsboot vertreten. Schwedische und dänische Transchiffe, vom Walfischfang aus dem südlichen Polarmeer kommend, schwere holländische Dreimaster mit hoher, altmodischer Gallione, englische Marinefahrzeuge und Kauffahrer, leichte französische Vaisseaux und schlanke Amerikaner, scharf auf den Kiel gebaut und mit einer Takelage versehen, die eine Gewandtheit in der Manövrierkunst erfordert, welche dem kühnen und dabei kaltblütigen Yankee eigentümlich ist, kamen und gingen oder ritten, sich leicht von Bord zu Bord neigend, auf ihren aus unzerbrechlichem englischen Stahl gefertigten Ankerketten. Daran schloß sich ein reichbelebtes Ufer, dessen Szenerie allerdings geeignet war, die Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen.
Kleine Felseninseln, von Kokospalmen und Pandanen bestanden, ragten aus den schimmernden, in ewiger Bewegung wallenden Fluten empor. Zwischen ihnen zogen sich zahlreiche Korallengärten hin, von schmalen Wasserarmen getrennt, in deren durchsichtigen Wellen rote und blaue Fische
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