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33 - Am Stillen Ozean

33 - Am Stillen Ozean

Titel: 33 - Am Stillen Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hatte genug gehört. Blieb ich länger, so war es möglich, daß sie mir in das Gesicht sehen und erraten konnten, daß ich kein Mongole sei. Daher erhob ich mich und verließ mit dem Lama das Zelt, warf aber vorher noch einen halben Blick auf die beiden Männer, um mir ihre Physiognomie einzuprägen.
    Draußen fragte ich den ersten uns Begegnenden, wo das Zelt der Oro sei.
    „Dort steht es. Sie kamen arm hierher. Sie hatten kein Zelt, und der Heilige hat es ihnen geschenkt, weil sie seine Schabi geworden sind.“
    Ich hatte nach dem Zelt nur gefragt, um es umgehen zu können, damit ich von den Bewohnern derselben nicht bemerkt würde, und ging nun mit einem Lama vor das Lager, um mir das Treiben der Gläubigen in der Nähe zu besehen.
    Wir gelangten zu der Formel, auf welcher sich die Leute Schritt um Schritt zur Erde warfen. Einer von ihnen fiel mir durch die ungemeine Last der Bücher auf, welche er mit sich schleppte. Er drehte mir den Rücken zu, hatte aber jetzt eine enge Krümmung zu beschreiben und wandte mir nun sein Gesicht zu. Es war der Schriftsetzer alias Herr Assessor. Auch er hatte aufgeblickt. Sein Blick streifte mein Gesicht und leuchtete erschrocken auf. Denn auch er erkannte mich und tat vor Schreck unwillkürlich einen Schritt aus der Formel heraus.
    Dies machte nach der buddhistischen Ordnung seine ganze bisherige Mühe erfolglos. Er mußte austreten, ging zu einem der die Aufsicht führenden Lamas und gab seine Bücher ab. Dann verbarg er sich schleunigst in der Menge der umherstehenden Menschen.
    Wären wir an einem Ort gewesen, an welchem sich ein russischer oder wenigstens europäischer Konsul befunden hätte, so hätte ich sofort Anzeige gemacht. Was aber sollte ich hier tun? Die Entsprungenen galten als Gläubige; bei den Lamas eine Anzeige ohne Beweis vorzubringen, hätte mir jedenfalls nur geschadet, und so beschloß ich, zu warten, bis mir diese Beweise in die Hände kommen würden. Aber Schangü durfte ich eine Mitteilung machen:
    „Ich habe die Oro gesehen“, sagte ich ihm.
    „Wo?“
    „Vorhin zwei in dem Zelt, und jetzt einen hier. Es war jener, welcher die Bücher abgeben mußte. Sie glauben nicht an den Heiligen.“
    „Woher weißt du das?“
    „Ich hörte sie sprechen. Sie wollen in einer dunklen Nacht hinaufklettern und ihm seine Schätze nehmen.“
    Er erschrak und fragte schnell:
    „Sagten sie dies?“
    „Ja. Es sind Diebe und Mörder, die aus den Bergwerken der Oro entsprungen sind.“
    „So müssen wir es schnell den Lamas melden!“
    „Kannst du ihnen die Wahrheit dessen, was ich sage, beweisen?“
    „Nein.“
    „So warte, bis du es kannst.“
    „Nein; ich werde es tun. Komm!“
    „Du wirst warten!“
    „Ich warte nicht, denn sie würden den Heiligen ermorden. Sieh diesen Kuang-fu! Es ist der Beamte, welchen der Kaiser gesandt hat, die Ordnung zu überwachen und für die Sicherheit zu sorgen, das erkennst du an seinem Knopf. Ich wußte nicht, daß ein solcher da ist; nun aber können die Lamas ohne ihn nichts tun.“
    Er ließ sich nicht halten und eilte auf den Mandarin zu. Dieser hörte ihn ruhig an und winkte mich dann zu sich. Zwei Pings, die ihm gefolgt waren, standen in der Nähe.
    „Du bist ein Oro?“ fragte er mich mit strenger Miene.
    „Nein“, antwortete ich erstaunt.
    „Folgt mir beide!“
    Er wandte sich; die beiden Polizeisoldaten nahmen uns in die Mitte und führten uns hinter ihm her nach einem Zelt, an dessen Tür der kaiserliche Drache gemalt war. Dort winkte er, uns zu setzen.
    „Du bist ein Oro, der aus den Bergwerken entsprungen ist, und du bist ein verkleideter Lama, der ihm geholfen hat. Soeben wurde mir diese Anzeige gemacht. Ich werde diese Sache untersuchen, sobald ich zurückkehre. Ihr aber bleibt hier sitzen, denn diese beiden Soldaten werden euch töten, wenn ihr versucht, euch zu entfernen.“
    Er verließ das Zelt, ohne uns Zeit zu einem Einwand zu geben. Ich ahnte natürlich sofort, daß dieser Schachzug von Mieloslaw getan worden sei, und beschloß, mich in Geduld zu fassen.
    Wir warteten wohl zwei Stunden vergeblich, dann erfuhren wir, daß der Kuang-fu von den Oro eingeladen sei und erst spät zurückkehren werde.
    Ihr Entschluß war sehr leicht zu erraten. Es war längst Abend geworden, und die Gläubigen hatten sich jedenfalls von dem Berg zurückgezogen.
    „Wann kommt der Kuang-fu?“ fragte ich.
    „Wer weiß es!“ antworteten die Soldaten.
    „So …“ Ich hielt mit einer beabsichtigten Drohung inne, denn es

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