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33 - Am Stillen Ozean

33 - Am Stillen Ozean

Titel: 33 - Am Stillen Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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verschwunden waren. Ich hatte neben dem Chinesen gelegen und einige Singhalesinnen bei ihm an Bord gesehen.“
    „Ein Girl-Robber? Pshaw!“
    „O doch, es gibt einen Girl-Robber, Sir, einen Mädchenräuber. Es wurde mir im Wirtshaus viel von ihm erzählt. Er ist ein chinesischer Seeräuber und besucht die Küsten, um Mädchen zu holen, welche die Frauen seiner Leute werden müssen, die auf einer verborgenen Insel wohnen.“
    „Möglich, geht mich aber nichts an.“
    „Mich auch nicht; aber dieser Pirat fiel mir doch bei der heutigen Nachricht unwillkürlich ein. Ich hatte die Singhalesinnen an Bord des ‚Haiang-dze‘ gesehen und wußte sehr genau, daß sie nicht wieder an das Land gebracht worden waren. Dann dachte ich an Euern Kaladi, dessen Herzenskleinod ein Mann der Dschunke angefallen hatte, und heute –“
    „Nun, heute?“ fragte Raffley, neugierig werdend.
    „Es war um Mittag herum; die See ging ein wenig hoch, und ich fuhr beinahe ohne Rauch; dazu hatte ich die Leinwand in Reffs gelegt, so daß es nicht leicht war, uns von weitem zu bemerken. Da sah ich den Chinesen vor mir durch das Wasser gehen. Er hatte alle Segel beigesetzt und ging durch die Wogen ventre-à-terre, wie ein gutes Pferd bei der Fuchshetze. Der Jacht aber war er nicht gewachsen; ich holte ihn ein, und er bemerkte mich erst, als ich bereits bis höchstens auf eine Viertelmeile an ihn heran war. Sofort ließ er die Maske vorlegen, aber ich hatte durch das Rohr bereits genug gesehen.“
    „Was?“
    „Er ließ dem Raum lüften und hatte außer den Luken auch acht Löcher geöffnet, welche mir nur geschnitten zu sein schienen, um Kanonenkugeln hindurchzulassen. Und auf dem Deck saßen, an den Händen gebunden, vier Frauenzimmer, welche beim Nahen der Jacht sofort in den Raum geschafft wurden.“
    „Hast du ihn angesprochen?“
    „Natürlich.“
    „Was antwortete er?“
    „Dschunke Haiang-dze, bestimmt nach Tschilah.“
    „Das war eine Lüge. Was will der Chinese in Tschilah? Er bewegte sich gestern so leicht aus dem Hafen, daß er sicher keine Ladung hat, und in Tschilah ist nichts zu finden, was man stauen könnte. Der Kerl wird mir verdächtig, und es macht mir Vergnügen, ihn zu beobachten.“
    „Durch die Jacht?“
    „Natürlich. Wir gehen von hier über Kandy nach Kornegalle bis an die Ufer des Alligatorflusses, den die Singhalesen Kimbu-Oya nennen. Den Rückweg werde ich nicht zu Land, sondern per Kahn auf dem Fluß machen, welcher uns nach Tschilah führt. Dort soll die Jacht auf uns warten, und bis wir kommen, hast du ja Zeit, dich nach dem umzusehen, was der Chinese treibt.“
    „Wann werdet Ihr in Tschilah sein, Sir?“
    „Weiß es nicht genau.“
    „Well. Habt Ihr sonst noch einen Befehl?“
    „Nein, du kannst gehen!“ –
    Am andern Morgen setzten wir unsere Fahrt nach Kandy fort, welches die ehemalige Hauptstadt der Insel und der Sitz der einheimischen Könige ist. Die Entfernung zwischen Colombo und Kandy beträgt achtzehn Stunden. Die Straße, welche von Point de Galle aus nordwärts geführt hatte, drehte sich hinter Colombo nach Osten. Die Haine der Kokospalmen verschwanden bald, und junge Reisplantagen gewährten mit ihrem zarten, glänzenden Grün einen sehr angenehmen Anblick. Dann kamen Pflanzungen des Areka- und Survabaumes mit ihrem reichen Laubwerk, zwischen welchem die schönen gelben Blüten verheißungsvoll hindurchschimmerten. Namentlich wurden wir ergötzt durch den Kontrast, welchen die gewaltigen, schwarzen Gneißmassen, aus denen hier die Berge bestehen, mit den zarten und vielfarbigen, sich an ihnen emporrankenden Schlingpflanzen gewähren. Einzelne Djackholz- und Brotfruchtbäume wechselten mit Kaffee-, Zucker- und Indigopflanzungen; dann kam der Dschungel, eine undurchdringliche Verwicklung von üppigen Rankengewächsen, Schlingpflanzen und Sträuchern, mit leuchtenden Blütenkelchen durchwebt, bis die Straße immer belebter wurde.
    Zahlreiche Ochsenkarren begegneten uns; zahme Elefanten trugen ihre Reiter oder arbeiteten zur Seite der Straße, welche sich rund um den Berg Kadagawana zur Höhe wand, um dem Auge stets neue Szenerieherrlichkeiten darzubieten. Dann öffnete sich auf der Spitze des Berges ein Panorama, wie man es schwerlich in den europäischen Alpengegenden findet. Mächtige Felsen, Bergspitzen, die einen Kranz von Baumblüten trugen, als ob Feen ihre Haine auf den Höhen ringsum aufgeschlagen hätten, parkähnliche Abhänge mit Sturzbächen, Wasserfällen und sanft

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