33 - Am Stillen Ozean
dahinrieselnden Quellen – die wellenförmige Ebene im Vordergrund, dies alles, gebadet in einem weichen, goldenen Licht, bildete ein Panorama, wie es ein menschliches Genie niemals in Farben darzustellen vermöchte und keine Feder entsprechend schildern könnte.
Die Gegend von Kandy gleicht einem großen Garten; Laubwerk, Frucht und Blumen bieten eine Abwechslung, wie man sie sonst kaum findet. Die Aufmerksamkeit des Fremden wird meistens durch den Taliputbaum gefesselt; die Myrte und der Lorbeer sind zahlreich und schön; prachtvolle, goldig glühende Sonnenblumen und üppige Balsaminen bilden eine Farbenzusammenstellung, welche der geschickteste Maler nicht auf die Leinwand zu tragen vermöchte. Und mitten in den Pflanzenwundern bewegt sich eine ebenso malerische wie interessante Tierwelt. Affen schwingen sich kreischend von einem Ast zum andern; Papageien und noch andere Vögel von zarterem Bau und prachtvolleren Farben erscheinen auch in zahlreichen Schwärmen oder sitzen in dem dichten Laubwerk, als seien sie selbst glänzende Blüten, die dort wachsen. Nirgends in der Welt gibt es Schmetterlinge von schönerer Zeichnung und Farbe als auf Ceylon. Man sieht hier den Baumfrosch in die offenen Blütenkelche schleichen und dort die gestreifte oder gefleckte Eidechse metallisch an dem Baumstamm glänzen. Zuzeiten läßt eine ungeheure Schlange ihre marmorierte, schillernde Haut sehen, indem sie sich aus dem schattigen Sumpf hervorwindet, um sich in die wärmenden Strahlen der Sonne zu begeben. Hier kommt ein Elefant marschiert und spielt mit dem langen muskulösen Rüssel, und dort schnellt ein Leopard durch das Dunkel der Bäume; er hat eine Beute geäugt, die ihm sicher nicht entgehen wird.
Wir kamen des Abends in Kandy an. Eine zahlreiche Gesellschaft erwartete uns bereits: der Gouverneur, der Gouvernements-Agent, die Spitzen der Verwaltung und das zahlreiche Offizierskorps vom kommandierenden Obersten bis herab zu dem jüngsten Lieutenant. Es wurde gespeist und getrunken, gescherzt und gelacht, gespielt, getanzt und musiziert, so daß die Stunden des Abends wie Minuten entschwanden.
Am andern Morgen setzte sich die ganze Gesellschaft in der Richtung nach Kornegalle, welches die Singhalesen Kurunai-Galle nennen, in Bewegung. Die Stadt war eine der alten Hauptstädte der Insel und von 1319 bis 1347 der Sitz und die Residenz ihrer Könige. Die Wohnung des obersten Distriktsbeamten nimmt jetzt die Stelle des vormaligen Palastes ein, und der Boden ist mit Bruchstücken von Säulen und Trümmern aller Art, den Überresten des königlichen Baues, übersät. Die neue Stadt besteht aus den Bungalows der europäischen Beamten, deren jedes von einem Garten umgeben ist, aus zwei oder drei Straßen, welche von den Nachkommen der Holländer und von Arabern bewohnt werden, und endlich aus einem Eingeborenen-Bazar mit den üblichen Reihen von Reis und Currystoffen und anderen Waren, wie sie hierzulande gebraucht und verwertet werden.
Der Reiz des Ortes beruht auf der ungewöhnlichen Schönheit seiner Lage. Kornegalle liegt unter dem Schatten eines ungeheuren Gneißfelsens, welcher fast von allem Grün entblößt und von der Zeit so abgerundet und ausgewaschen ist, daß er fast ganz genau die Figur eines liegenden Elefanten darstellt. Daher nennt man diesen Stein Aetagalla, d.i. den Felsen des Hauers. Hauer oder (englisch) Tusker ist ein mit Fangzähnen versehener männlicher Elefant. Aber Aetagalla ist nur das letzte Glied in einer ganzen Kette ähnlich gestalteter Felsenhügel, welche hier plötzlich enden und wegen der phantastischen Formen, die durch den Einfluß der Atmosphäre ihren gigantischen Umrissen gegeben worden sind, die Namen des ‚Schildkröten-‘‚ des ‚Schlangen-‘, des ‚Tiger-‘, des ‚Fisch-‘ und des ‚Adlerfelsen‘ erhalten haben. Der Eindruck dieser staunenerregenden Felsenmassen äußert sich so mächtig auf die Singhalesen, daß z.B. in alten Urkunden Ländereien verliehen werden, ‚so lange Sonne und Mond scheinen und so lange Aetagalla und Andagalla dauern werden‘, was so viel heißt wie auf ewige Zeiten.
Kornegalle ist ein Versammlungsort der Buddhisten; von den entferntesten Teilen der Insel kommen sie dahin, um einen alten, auf dem Gipfel des Felsens stehenden Tempel zu besuchen, zu welchem man vom Tal aus mittels steiler Pfade und in Stein gehauener Stufen gelangt. Hier ist Hauptgegenstand der Verehrung der in dem Granit ausgehöhlten Abdruck eines Fußes, ähnlich dem
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