33 - Am Stillen Ozean
aus.
„Siehst du die Kähne dort, Sahib?“
Grad vor uns lag eine große Anzahl geschmückter Boote, eines neben dem andern, an dem Ufer. Das mittelste von ihnen zeichnete sich durch buntes Wimpelwerk und allerlei Blumen und Blätterzierde vor den übrigen aus.
„Ja“, antwortete ich. „Was ist mit ihnen?“
„Siehst du auch das Boot mit den Fahnen und Girlanden?“
„Allerdings. Warum fragst du?“
„Zu beiden Seiten seiner scharfen Brust sind die Worte ‚Mata orí‘ (Auge des Tages) eingeschrieben. So nannte ich Pareyma, als ich sie lieben lernte, und so nannte ich auch das Boot, welches ich ihr zu Tamai auf Eimeo bauen ließ, damit mich Anoui mit demselben abholen könne an dem Tage, an welchem ich sie zum Weibe nahm, um sie in mein Palmenhaus zu führen. Ich kenne das Boot genau; sein Ausleger ist nicht mit Bast, sondern mit eisernen Stocknägeln befestigt, und heute ist es geschmückt – gerade wie damals, als ich es als Bräutigam betrat. Es muß auf Eimeo eine Hochzeit sein, und Anoui hat es dem Vater des Mädchens geliehen, damit der Bräutigam in demselben abgeholt wird.“
Es spiegelte sich in seinen schönen, offenen Zügen eine Unruhe ab, für welche ich kein Verständnis hatte. Die Erinnerung hätte ihn ja beglücken, nicht aber beunruhigen sollen.
„Und siehst du den Mann im Boot?“ fuhr er fort. „Es ist Ombi.“
„Wer ist Ombi?“
„Der Diener des Priesters; doch liebt er mich mehr als ihn. Er hat Pareyma auf den Armen getragen, als sie noch ein Kind war, und sie behütet, seit ihre Mutter gestorben ist.“
Der Diener, welcher uns beobachtete, schien Potomba zu erkennen, denn er erhob sich mit freudiger Miene, setzte sich aber sofort wieder nieder und legte die Hände vor das Gesicht.
Der Sand des Ufers knirschte unter dem Kiel unseres Bootes, und wir sprangen an das Land. Potomba trat zu der ‚Mata orí‘.
„Ombi!“ redete er den Diener an.
Der Diener regte sich nicht.
„Ombi!“
Als auch jetzt noch keine Antwort erfolgte, sprang er in das Boot und ergriff den greisen Polynesier bei der Schulter.
„Ombi, warum antwortest du nicht?“
Der Diener nahm die Hände vom Gesicht und blickte ihn an. In seinen Augen glänzten zwei Tränen.
„Hat der Schmerz Worte, Potomba?“ fragte er.
„Welcher Schmerz?“
„Daß du abgefallen bist von Atua, dem Gott alles Guten, und hingegangen zu dem Mitonare.“
„Das schmerzt dich jetzt? Hast du mir nicht oft gestanden, wenn ich dir heimlich von dem Messias erzählte, der das Lamm Gottes ist, daß dir der höchste Sahib Jesu lieber sei, als Atua, der Gott von Tahiti, der niemals gekommen ist, um Kranke zu heilen, Tote zu erwecken und für unsere Sünden zu sterben?“
„Das habe ich gesagt, Potomba, und das sage ich auch noch jetzt. Aber ich bin der Diener eines Priesters, dem ich gehorchen muß, und darf nicht sagen, was ich denke.“
„Du darfst sagen, was du denkst und glaubst. Verlaß den Priester des falschen Gottes und komme zu mir! Du liebst Jesu, den Nazari; du liebst auch mich und Pareyma. Warum willst du nicht bei uns sein? Warum weinst du, wenn du mich erblickst? Du hast es doch bisher noch nie getan!“
„Ich weine, weil ich gerne bei dir sein möchte und es doch nicht kann.“
„Warum kannst du es nicht?“
„Weil ich Pareyma nicht verlassen mag, die meiner bedarf.“
„Pareyma? Wenn du zu mir kommst, bist du ja bei ihr!“
„Nein!“
Ich sah den Schreck, der die dunklen Züge Potombas jäh erbleichte. Er stockte und ließ seinen angstvollen Blick über die Umgebung gleiten. Die am Strand Spazierenden waren herbeigekommen und beobachteten ihn mit teilnahmsvollen Augen aus der Ferne. Er mußte dies bemerken und noch mehr ahnen als ich, daß ihn während seiner Abwesenheit etwas Schweres betroffen habe. Unwillkürlich fuhr seine Hand nach dem scharfen Kris, welcher in seiner Schärpe stak, und zwischen den zusammengepreßten Zähnen hervor fragte er beinahe zischend:
„Wo ist Pareyma?“
„Gehe heim und frage. Ich darf es dir nicht sagen!“
Potomba trat einen Schritt zurück. Seine Augen funkelten, und seine Lippen zuckten.
„Ombi, wo ist Pareyma? Hörst du, ich frage dich!“
Der Diener senkte traurig das Haupt und wiederholte:
„Gehe nach Hause und frage!“
„Ombi, du schweigst noch immer? Gut, ich werde gehen, aber wer Pareyma ein Leid getan hat, der ist verloren!“
Er ging. Wir beide folgten ihm. Die versammelte Menge machte ihm ehrerbietig und teilnahmsvoll Platz. Er sprach
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