33 - Am Stillen Ozean
pflegte. Diese Glocken ließen bei jeder seiner Bewegungen ein Gebimmel hören, welches mir nicht nur lästig wurde, sondern uns beiden gefährlich werden konnte, denn wir hatten uns damals vor Feinden in acht zu nehmen, denen das immerwährende Getön unsere Annäherung schon von weitem verraten mußte; darum drang ich in ihn, wenn auch nicht die Glocken ganz zu entfernen, so doch wenigstens die Klöppel herauszunehmen, und daß er mir diesen Wunsch allerdings nach langem und schwerem Kampf mit sich selbst, erfüllte, war ein großer und unumstößlicher Beweis von der Zuneigung, mit welcher er an mir hing.
So sonderbar, wie er selbst, war auch seine Ausdrucksweise. Er radebrechte das Holländische ganz leidlich, spickte es aber so mit den in seiner Muttersprache vorkommenden Schnalz- und Klatschlauten, daß alle seine Sätze wie von Spechten zerhackt aus seinem Mund kamen. Und dieser Mund, wie groß und breit war er doch! Wenn Quimbo im Eifer sprach oder gar dazu lachte, dann reichten seine weißen Zahnreihen von einem Ohr bis zum andern, und sein Gesicht glich weit eher demjenigen eines Vierhänders als dem eines Menschen.
Das aber ihm zu sagen, hätte niemand wagen dürfen, denn er war ungeheuer eitel und hielt sich nicht nur für schön, sondern für eine Schönheit allerersten Ranges. Wenn er von sich sprach, pflegte er sich als den ‚schön' gut', tapferen Quimbo‘ zu bezeichnen. In Beziehung auf die Schönheit irrte er sich; aber gut war er, seelengut; ob auch tapfer, daß wollte ich erst nicht glauben, sah aber später ein, daß ich ihn da falsch beurteilt hatte; Quimbo war mutig, und wenn es sich um eine Gefahr für mich handelte, so wagte er unbedenklich sein Leben. Ich gewann ihn herzlich lieb und wünschte ihm alles Gute, konnte aber leider nicht verhindern, daß dieser Mensch grad in dem Fall, der für ihn der wichtigste war, nicht in Erfüllung ging.
Quimbo hatte nämlich sein Herz verloren; es gehörte einem schönen Kaffernmädchen, welches ein Boer in der Kalahari gefunden, als Kind angenommen und Mietje genannt hatte. Wie oft hörte ich aus seinem Mund die selig klingenden Worte: „Mietje werd' heirat' schön' jung' ‚reich‘ Mietje!“ Er mußte aber erfahren, daß auch ein schön', gut', tapfer Mensch, selbst wenn er ein Kaffer ist, nicht alles haben kann, was er will; Mietje wurde die Frau eines jungen Boers, und Quimbo mußte verzichten. Ob sein Herz darüber brechen würde, daß konnte ich nicht abwarten, denn ich mußte fort. Als ich Abschied von ihm nahm, stand er weinend, oder vielmehr grinsend, vor mir, als ob er vor Liebe und Herzeleid nicht wisse, wo aus oder ein. Da aber schien ihm plötzlich ein guter Gedanke zu kommen: er langte nach seinem rechten, aufgerollten Ohrläppchen, riß die in demselben steckende Schnupfdose heraus, gab sie mir mit einem unendlich wohlwollenden Zähnefletschen und sagte dabei:
„Lieb' gut' Mynheer will gehen nach heim; Quimbo wein' viel' groß' Trän', weil Quimbo nicht darf geh' mit Mynheer; aber Quimbo geb' hier Dos' an Mynheer, damit Mynheer denk' viel an arm', gut', schön', tapfer Quimbo!“
Natürlich nahm ich, um ihn nicht zu betrüben, die Dose an. Ich war überzeugt, daß ich den Ohrlappen, in dem sie gesteckt hatte, niemals wiedersehen würde. Trotzdem wurde mir der Vorzug zuteil, nicht nur diesem rechten, sondern auch dem linken Ohrlappen mitsamt dem ganzen Quimbo wieder zu begegnen, und zwar nicht etwa hier im Land der Boers, Kaffern und Hottentotten, sondern – wo?
Indem ich erzählte, daß wir den ‚Haiang-dze‘ nach Point de Galle brachten und mit den Gefangenen dem Mudellier übergaben, daß wir da den Besuch des Gouverneurs von Colombo erhielten und dann der Hochzeit Kaladis mit Molama beiwohnten, habe ich, allerdings mit Absicht, eine Episode übergangen, welche jetzt Erwähnung finden soll.
Es verstand sich ganz von selbst, daß die Besatzung des ‚Haiang-dze‘, und zwar auf das allerstrengste, bestraft werden mußte; aber die Frage war, nach welchem Recht dies zu geschehen hatte. Auf Ceylon ist nämlich im allgemeinen für Europäer und Eingeborene herrschendes Recht das altholländische, doch ist für die Tamulen ein eigener Kodex vorhanden, welcher Thesawalamy heißt, und für Candy gilt außerdem noch ein besonderes, lokales Recht. Nach englischem Recht wird nur bei Schiffahrts- und Handelsfragen geurteilt. Waren die Girl-Robbers nun nach englischem oder altholländischem Recht zu verurteilen? Diese Frage war für
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