33 - Am Stillen Ozean
aber habe ich gehört, daß seine Bewohner friedfertige Menschen sind und alles wissen und verstehen, wonach man sie nur fragen kann. Und das ist wahr, denn ich habe es jetzt gesehen. Wollt ihr nach Kuang-tscheu-fu?“
„Ja. Wir sind nur ausgestiegen, um deine Miao anzusehen, und du hast uns dies erlaubt. Willst du die Gefälligkeit haben, ein Kom-tscha von uns anzunehmen?“
„Ich bin arm und lebe von den Gaben derer, welche barmherzig sind. Dein Kom-tscha wird mir willkommen sein.“
Natürlich hatte Turnerstick diese Worte nicht verstanden, als ich aber in die Tasche griff, merkte er, wovon die Rede war.
„Halt, Charley, Ihr wollt dem Mann ein Trinkgeld geben?“
„Ja.“
„Das überlaßt mir! Ich habe zwar den Turm nicht soweit erklettert wie Ihr, aber ich habe dafür Eure Musik auf seiner Pum-po gehört und werde sie bezahlen.“
Er zog seinen langen Zugbeutel hervor und wandte sich an den Bonzen:
„Hast mir sehr gefalleng, mein Junging; darum werdang ich dir gebung zwei Dolling und deinen Knabeng hier einen Dolling. Kannst dir Tabangk, Cigaretting oder ein paar Flascheng Rumang dafür kaufing. Lebung wohl, alter Pagodangwächter und denke zuweilen an den Kapitän Turningsticking und an sein famoses Yanking-doodling!“
Der Bonze machte ein höchst erstauntes Gesicht. Für seine Bedürfnisse und die hiesigen Preise waren zwei Dollar ein kleines Vermögen. Es war ihm unmöglich, die Freude über ein so reiches Geschenk für sich zu behalten; er sprang unter die anwesenden Chinesen hinein, zeigte ihnen die beiden Geldstücke und pries in den kräftigsten Ausdrücken die Mildtätigkeit der fremden Tao-dse. Dann faßte er mich bei der Hand und zog mich zur Seite.
„Du willst nach Kuang-tscheu-fu. Darf ich dir einen Rat geben, weil du so gütig gegen uns bist?“
„Du darfst.“
„Ich bitte dich, keinen Menschen hören zu lassen, was ich dir jetzt sage: hüte dich vor den Lung-yin und vor den Kuang-ti-miao!“
Diese Warnung überraschte, ja, sie frappierte mich; es war beinahe wörtlich ganz dieselbe, welche ich bereits aus dem Mund von Kong-ni gehört hatte. Darum fragte ich:
„Warum?“
„Das darf ich dir nicht sagen. Hast du nicht gehört, daß die Lung-yin gern Fremdlinge gefangennehmen, um ein Lösegeld zu erhalten?“
„Ich weiß es. Erst vorgestern ist die Frau eines portugiesischen Kaufmanns in Macao verschwunden, und allen Vermutungen nach von den Drachenmännern gefangengenommen worden. Doch ich fürchte mich nicht vor ihnen.“
„Du kennst sie nicht, sonst würdest du dich vor ihnen fürchten. Es gibt nichts Schlimmeres, als in ihren Händen zu sein und sie zu erzürnen. Hätte ich die Macht, so würde ich dir einen Talisman geben, der dich vor ihnen schützt.“
„Gibt es einen solchen Talisman?“
„Ja.“
„Hast du ihn gesehen?“
„Ich habe – ja ich habe ihn gesehen.“
„Wie ist er?“
„Das darf ich dir nicht sagen.“
Ich griff an den Hals und zog das Medaillon hervor.
„War es ein solcher?“
Kaum hatte er den Gegenstand erblickt, so verschränkte er die Arme über die Brust und verbeugte sich beinahe bis zur Erde.
„Herr, verzeihe mir. Ich wußte nicht, daß du ein Yeu-ki der Lung-yin bist!“
„Woher siehst du dies?“
Er schien sich über diese Frage zu wundern.
„Du hast den Talisman und mußt also wissen, daß es für jeden Grad eine besondere Art desselben gibt. Oder hattest du ihn nicht verdient, sondern nur gefunden? Das könnte dein Tod sein!“
Ich hielt es nicht für nötig, ihn aufzuklären. Aber dieser buddhistische Bonze schien die Organisation des Flußpiratentums zu kennen; es war mir von Interesse, zu erfahren, ob er vielleicht gar ein Mitglied der Drachenmänner sei.
„Ich habe ihn nicht gefunden. Zeige mir den deinen!“
„Ich habe ihn im Haus, aber du mußt ja an meiner Tasse gesehen haben, daß ich zu euch gehöre!“
Also das war es! Ich hatte zufälligerweise seine eigentümliche Handstellung beim Teetrinken bemerkt; er faßte die Tasse mit den Spitzen des Daumens, Zeige- und Goldfingers an, während er die beiden andern steif ausstreckte. Ich mußte mehr zu erfahren suchen.
„Kennst du auch die andern Zeichen?“
„Es sind ja nur die beiden Grüße, und die kennt jeder: ‚Tsching-tsching‘ und ‚Tsching-lea-o‘. Nun weißt du auch ohne den Talisman, daß ich zu euch gehöre. Aber du hast mir nicht die Wahrheit gesagt; du bist kein Y-jin, sonst hättest du nie Mitglied oder gar Oberster werden
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