33 - Am Stillen Ozean
Fahrzeugen förmlich bedeckt zu sein.
Da kam ein sehr hochmastiges Boot hinter uns her, welches, so viel man beim Schein der Laterne sehen konnte, von zehn Ruderern getrieben wurde. Es schien hart an uns vorübergehen zu wollen, noch aber hatte seine Spitze unsern Stern kaum erreicht, so erscholl es von derselben zu uns herüber:
„Kiang –!“
„Lu!“ antwortete unser Bootsmann.
Im Nu verlöschten die Laternen; es kam etwas herübergeflogen, was wie ein Topf auf den Boden unseres Bootes aufschlug und sofort einen so lähmenden, so erstickenden Geruch verbreitete, daß ich auf der Stelle meiner Sinne beraubt wurde. Ich sah nur noch, daß unser Bootsmann unter das Wasser tauchte. Er war schleunigst über Bord gesprungen, als drüben die Laternen verlöschten.
Als ich wieder zur Besinnung kam und die Augen öffnete, lag ich gebunden in demselben Boot, welches uns überfallen hatte; neben mir lag mein guter Master Turnerstick. Ich hatte ebenso wie er einen Knebel im Mund, welcher uns hinderte, ein Wort zu sprechen.
Der Mann am Steuer war mir bekannt. Der Schein der Laterne fiel ihm in das Gesicht, und ich sah sehr deutlich, daß es der Fischer war, welcher mit seiner Gondel neben der unsrigen gelegen hatte. Es war ein Lung-yin, und ich vermutete vielleicht mit Recht, daß unser Bootsmann mit den Drachenmännern im Einvernehmen gestanden hatte.
‚Kiang-lu‘ war also die Losung dieser Leute. Und ‚Kiang-lu‘, das heißt ‚Flußdrache‘, wurde überall der Anführer der Piraten genannt, welcher also, diesem Worte zufolge, von mongolischer Abstammung sein mußte. Es hat Flußpiraten gegeben, so lange eine chinesische Geschichte existiert; doch nie aber hatten sie eine solche Organisation besessen wie gerade in der gegenwärtigen Zeit, und es herrschte Panik vor ihnen, welche selbst die Beamtenkreise erfaßt hatte, so daß es schwer hielt, staatliche Hilfe gegen ihre Streiche zu erlangen. Jetzt befand ich mich in ihren Händen. Furcht hatte ich nicht, wie ich aufrichtig gestehen muß. Ich hatte mich mit der afrikanischen ‚Gum‘, mit nordamerikanischen Bushheaders und ähnlichen Leuten herumgeschlagen und war jetzt, sozusagen, neugierig, wie ich diese Drachenmänner finden würde.
Es saßen dreizehn Mann im Boot, zehn Ruderer, ein Steuerführer und zwei am Bug, die sich miteinander unterhielten. Sie wußten, daß wir Fremde seien, und schienen anzunehmen, daß wir nicht Chinesisch verständen, sonst würden sie leiser gesprochen haben, da wir ganz in ihrer Nähe lagen und jedes Wort deutlich verstehen konnten.
Neben ihnen standen einige Tongefäße von ganz derselben Form wie die indischen Tschatties. Diese festverschlossenen Gefäße waren jedenfalls ‚Stinktöpfe‘, welche die chinesischen und malayischen Seeräuber gebrauchen, um ihre Opfer zu betäuben, wie ich und der Kapitän soeben auch erfahren hatten.
„Wer sind die beiden Männer?“ fragte der eine der beiden Sprecher.
„Dieser Ta ist ein Tao-dse, und der Dicke muß ein Tung-yin sein, wie uns sein Bootsmann verraten hat. Beide sind reich, denn sie waren die Herren ihres Schiffs.“
„Und du wirst sie dem Dschiahur übergeben?“
„Ja. Wir werden die Hälfte ihres Lösegeldes erhalten, und die andere Hälfte wird er mit dem Kiang-lu teilen.“
„Wieviel müssen sie zahlen?“
„Das wird der Dschiahur bestimmen.“
„Wo wirst du sie ihm übergeben?“
„Im Kuang-ti-miao.“
„Ist dort Platz für sie?“
„Ja, denn es befindet sich dort nur das Weib des Por-tu-ki, welches wir wegnahmen, weil diese Barbaren so dumm sind, daß sie glauben, ein Weib habe auch eine Seele. Sie lieben ihre Frauen geradeso wie sich selbst und bezahlen gern ein hohes Lösegeld, um sie wiederzubekommen. Ihr Mann wird Nachricht erhalten durch denselben Boten, welchen wir auf das Schiff dieser zwei Barbaren senden werden.“
Das waren für uns recht tröstliche Aussichten! Wir sollten gefangengehalten werden, bis einer dieser Biedermänner das Lösegeld von unserer Barke geholt haben würde. Ich hätte diesem Bootsmann, welcher die Güte gehabt hatte, uns an die Piraten zu verraten, alles mögliche Schlimme anwünschen können, wenn ich es vermocht hätte, mein lebhaftes Interesse für das gegenwärtige Abenteuer zu überwinden. Ich besaß nicht einmal die Mittel, ein Lösegeld zu bezahlen, und wenn ich mich nicht auf die Kasse des Kapitäns verlassen wollte, so mußte ich mein stets bewährtes gutes Glück und vielleicht auch – den Talisman in
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