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33 - Am Stillen Ozean

33 - Am Stillen Ozean

Titel: 33 - Am Stillen Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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entwickelteren Kinder auf, während das jüngste gewöhnlich auf dem Rücken der Mutter oder einer älteren Schwester festgebunden ist.
    Auf keinem dieser Boote fehlt ein kleiner Hausaltar, vor welchem sich eine stets brennende Lampe befindet.
    Die wohlhabenden Klassen der Sampanbevölkerung bewohnen alte, unbrauchbar gewordene Dschunken, die oft mehrere Stockwerke besitzen und einen geräumigen Landungsplatz haben, dem einige Zierpflanzen in Töpfen das Aussehen einer Veranda geben.
    Die Schi-san-hang oder Faktoreien sind auf einem den Chinesen abgekauften Stück Land im modern europäischen Baustil aufgeführt und von einer starken Mauer umgeben. Dort gibt es geschmackvoll angelegte und gut unterhaltene Gartenanlagen, inmitten deren eine kleine, recht hübsche Kirche steht. Diese Anlagen bilden den einzigen Spaziergang für Fremde, wo sie sich unbelästigt bewegen können.
    Vom Quai der Faktoreien erstrecken sich Reihen von Palisaden vierzig bis fünfzig Fuß weit in den Fluß hinaus und bilden eine Art von geschlossenem Hafen mit einer schmalen, für Boote berechneten Einfahrt. Dies ist hab als eine kriegerische Maßregel, halb aber auch aus dem Grund geschehen, um die Zudringlichkeit sowohl der chinesischen Beamten als auch des Publikums abzuwehren. Aus demselben Grund sind auch überall, wohin man blickt, starke Türme angebracht, die ein deutliches Zeugnis geben, daß die Europäer die Erfahrung gemacht haben müssen, dem Volk der Mitte sei nicht zu trauen.
    Halverstone entschuldigte sich, daß er jetzt uns nicht Gesellschaft leisten könne, da er von geschäftlichen Rücksichten in Anspruch genommen sei. Wir beruhigten ihn, indem wir ihm unseren Entschluß zu erkennen gaben, ihm überhaupt keine weiteren Störungen bereiten, sondern die Yacht sofort verlassen zu wollen. Der brave Mann nahm für die Passage keine Bezahlung, dafür aber war Turnerstick so ‚gentlemanlike‘, der Mannschaft für ihre Begleitung nach dem Kuang-ti-miao seine Dankbarkeit durch milde Stiftung eines Extragrogs und einiger blanker Dollar zu beweisen.
    Dann verließen wir den kleinen Dampfer und ließen uns an das Ufer rudern. Sofort fielen eine Menge Agenten und sonstige böse Geister über uns her. Der eine brüllte uns an, als wollte er uns das Trommelfell zersprengen; der andere faßte uns beim Arm; der dritte versuchte, uns durch einen kräftigen Stoß nach der Richtung zu dirigieren, welche in seiner Absicht lag; ein vierter hielt einen mehrere Quadratellen großen Zettel empor, auf welchem in riesigen Buchstaben stand, was er nicht sagen konnte; ein fünfter schlüpfte gewandt wie ein Aal zwischen all den vielen Armen und Beinen hindurch und überreichte uns eine gelbseidene Khata, um uns durch diese in Tibet und der Mongolei gebräuchliche Höflichkeit zu veranlassen, sein Opfer zu werden; ein sechster reckte die Arme empor, spreizte die zehn Finger auseinander und zog mit seinen schiefen Augen, seiner Stumpfnase und dem breiten, zahnlosen Mund die undenklichsten Grimassen, um uns aus seinen Pantomimen erraten zu lassen, was er uns mitzuteilen habe.
    Ich stand inmitten dieser Rotte Korah, Dathan und Abiram und ließ die Brandung geduldig über mich ergehen; die Flut mußte sich ja legen, sobald die Leute merkten, daß wir nichts von ihnen wissen wollten. Diese Geduld aber entging dem heißblütigen Turnerstick gänzlich. Er schob und stieß, puffte und schlug auf die Zudringlichen ein, als gelte es, sein Leben zu verteidigen, und versuchte dabei, mit seiner gewaltigen Kommandeurstimme ihr Geschrei zu übertönen:
    „Fort vong mir! Zurück Jungens! Wir könneng euch nicht gebrauchang; wir wisseng selbst, was wir zu machung habeng! Weg, sage ich, sonst werdang wir euch lehrung, den Kurs frei zu gebing!“
    Durch die Bewegung, welche ich machen mußte, um die verschiedenen Stöße zu parieren, geriet mir die Kleidung in Unordnung und das Lung-yin-Zeichen kam zwischen zwei Knopflöchern zum Vorschein. Der Mann mit der Khata sah es.
    „Kiang!“ raunte er mir zu.
    Ich konnte in dem Lärm das Wort nicht hören; ich las es ihm mehr von den Lippen ab.
    „Lu!“ antwortete ich, auch mehr durch die Stellung der Lippen als mit der Stimme.
    Er winkte, drängte sich durch die Umstehenden und wartete von fern auf uns.
    „Vorwärts, Käpt'n. Wollen sehen, ob wir diese Blockade zu brechen vermögen!“ sagte ich da.
    „Well, das Zeug dazu haben wir ja!“
    Er schien bis jetzt bloß mit ‚halbem Dampf‘ gearbeitet zu haben, denn als er

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