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33 - Am Stillen Ozean

33 - Am Stillen Ozean

Titel: 33 - Am Stillen Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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erkennen.
    „Bist du der Sing dieses Kuang-ti-miao?“ fragte ich ihn.
    „Nein.“ antwortete er stolz.
    „Ah, so bist du wohl gar ein Ho-schang?“
    „Ja.“
    „Schön! Man darf diesen Tempel besuchen?“
    „Es darf jeder kommen, welcher dem Gott opfert und seinen Diener nicht vergißt.“
    „Wir werden dich nicht vergessen! Aber du scheinst auch Männer herbeizulassen, welche dem Gott nicht opfern, sondern seine Feinde sind!“
    „Weshalb denkst du dies?“
    „Ich sah, daß deinem Gott das Schwert entrissen worden ist.“
    „Das hat der Tschüt-gur getan.“
    „Der Tschüt-gur? Was hat er in diesem Kuang-ti-miao zu suchen?“
    „Weißt du nicht, daß er ein Feind der Götter ist und sie überfällt, um mit ihnen zu kämpfen? Aber sie sind mächtiger als er, er kann ihnen wohl das Schwert entreißen, aber sie besiegen ihn dennoch und jagen ihn in den Ta-kang zurück.“
    „Hast du einmal einem solchem Kampf zugesehen?“
    „Nein; selbst ein Priester würde getötet, wenn er dies wagen wollte.“
    „So hast du auch den Tschüt-gur noch nicht erblickt?“
    „Nein.“
    „Ich habe ihn gesehen. Soll ich ihn dir zeigen?“
    „Das vermagst du nicht!“
    „Ich vermag es, sogar jetzt gleich.“
    „Wo ist er?“
    Ich deutete auf Turnerstick.
    „Hier! Blicke ihn genau an, und du wirst finden, daß du den Teufel bereits einmal gesehen hast.“
    „Du sprichst so, daß ich dich nicht verstehe!“
    „Ich rede sehr deutlich. Du sagst, der Tschüt-gur habe deinem Gott das Schwert entrissen, folglich ist dieser der Tschüt-gur, denn er ist es gewesen, der es ihm genommen hat.“
    „Ich verstehe dich wieder nicht!“
    „Und bist doch selbst dabeigewesen! Dein Gedächtnis ist sehr kurz; es reicht nicht von der Nacht bis zum Morgen; ich muß ihm zu Hilfe kommen: Wo ist der Dschiahur?“
    „Ich kenne ihn nicht. Was ist ein Dschiahur?“
    „Du fühlst dich beleidigt, wenn ich dich einen Sing statt einen Ho-schang nenne; du willst ein Weiser, ein Priester, ein Schriftgelehrter sein und weißt nicht, was ein Dschiahur ist?“
    „Nur Fo ist allwissend, der Mensch aber kann nicht alles erfahren.“
    „Du bist als Ho-schang in einem Kloster gewesen und hast dort das Schan-hai-king und das Hoan-yü-ki studieren müssen; auch das Fo-kue-ki muß dir bekannt sein, und du willst nicht wissen, was ein Dschiahur ist? Ich bin ein Si-yin, und in den Si-ti hat man ein sehr gutes Mittel, das Gedächtnis zu stärken.“
    „So gib mir es!“ lächelte er verschmitzt.
    „Du sollst es haben!“
    Ich wandte mich an einen Matrosen:
    „Drin in der Kammer liegen Bambusrohre, die als Laternenstöcke gebracht werden. Hole einen oder zwei herbei; dieser Mann bekommt zehn Hiebe.“
    „Aye, Sir; wird schleunigst besorgt!“
    Er sprang davon und kehrte sehr schnell mit einigen Bambusrohren zurück.
    „Haltet ihn, und schlagt zu zweien, je fünf gute Hiebe auf seinen Rücken!“ gebot ich.
    Dieses kleine Intermezzo war allerdings sehr nach dem Geschmack der kräftigen Matrosen. Sie erfaßten den Bonzen und legten ihn auf die Erde nieder. Er wehrte sich aus vollen Kräften, und als dieses nichts half, griff er zu seinem letzten Mittel:
    „Ihr wollt es wagen, einen Priester zu schlagen! Der große Fo wird den Tschüt-gur senden, der euch in die Hölle bringt.“
    „Der Tschüt-gur ist ja bereits hier und hat nichts dagegen, daß du Streiche bekommst“, antwortete ich ihm.
    „So werde ich euch beim Hing-pu verklagen!“
    „Tue es, aber bedenke, daß wir keine Tschia-dse sind und deinen Hing-pu nicht zu fürchten brauchen! Kennst du den Dschiahur?“
    „Nein.“
    „Schlagt los!“
    Beim ersten Hieb stieß der Zopfmann einen lauten Schrei aus; beim zweiten war seine Widerstandskraft bereits gebrochen.
    „Halt, ich kenne ihn!“
    Ich winkte, einzuhalten.
    „Siehst du, wie prächtig mein Mittel das Gedächtnis stärkt? Wo ist der Dschiahur?“
    „Fort.“
    „Wann?“
    „Gleich nachdem er vom Kanal zurückkehrte.“
    „Wo ist er hin?“
    „Ich weiß es nicht.“
    „Wo sind die andern?“
    „Sie sind mit ihm.“
    „Wohin?“
    „Ich weiß es nicht.“
    „Du lügst!“
    „Ich lüge nicht. Sie kommen und sagen nicht woher; sie gehen und sagen nicht wohin.“
    „Dein Gedächtnis ist noch nicht lang genug; ich werde es dir verlängern lassen.“
    „Du wirst es nicht tun, denn ich bin ein Priester!“
    „Ich werde es tun, denn du bist ein Lung-yin!“
    „Ich kenne die Lung-yin nicht.“
    „Dein Gedächtnis wird immer

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