33 - Am Stillen Ozean
nun die muskulösen Arme ausstreckte, flogen die Dränger wie die Fliegen auseinander, wir bekamen wieder freie Bahn und schritten in die nächste Gasse hinein. Der Chinese folgte uns und trat zu mir heran.
„Herr, warum trägst du die Kleidung eines Fremden?“ fragte er.
„Weil ich fern von China war“, antwortete ich.
„Für unsere Hui?“
„Hast du einen Yeu-ki zu fragen?“
„Verzeihe, Herr! Ich sah noch keinen Lung-yin in einem fremden Gewand.“
„Warum winktest du mir?“
„Ich habe allen Hui-dse, welche ich treffe, eine Botschaft zu geben.“
„Welche?“
„Sie sollen in die Wan-ho-tien kommen.“
„Wann?“
„Heute um Mitternacht.“
„Weshalb?“
„Es kommen heute oder morgen zwei Feinde an, welche gefangen werden sollen.“
„Was für Männer sind es?“
„Ich weiß es nicht. Du weißt ja selbst, daß die Anführer nicht alles sagen.“
„Wer gab dir den Auftrag?“
„Du weißt, daß ich das nicht sagen darf, obgleich du höher stehst als er.“
„Es ist ein Tü-ßü?“
„Ja.“
„So ist's der Dschiahur, der heute in der Wan-ho-tien eingekehrt ist.“
„Herr, jetzt glaube ich erst, daß du ein Yeu-ki bist, denn du weißt, wo sich dein Untergebener befindet.“
„Warum glaubtest du es vorher nicht?“
„Du trägst fremde Kleidung; du trägst keinen Pen-tse, und es sind unsere vorigen Zeichen oft nachgemacht oder entwendet worden, was jetzt wieder der Fall sein könnte.“
„Du weißt, daß du deinen Offizieren unbedingt zu gehorchen hast?“
„Ich weiß es.“
„Ich gebe dir einen Befehl, einen strengen Befehl: Der Dschiahur darf nicht wissen, daß ich bereits in China angekommen bin; du wirst ihm verschweigen, daß du mich getroffen hast.“
„Ich werde gehorchen.“
„So sehen wir uns um Mitternacht wieder. Hast du mir noch etwas zu sagen?“
„Nein.“
„So sind wir fertig. Tsching-lea-o!“
„Lea-o!“
Er entfernte sich. Der Kapitän machte mir verwunderte Augen und fragte mich:
„Charley, seid Ihr etwa schon früher einmal in China gewesen?“
„Nein. Warum diese Frage?“
„Weil Ihr mit dem ersten besten Zopfmann, der uns begegnet, so vertraut tut, als ob Ihr ihn bereits getroffen hättet.“
„Wir gehören zueinander.“
„Ihr und er? Inwiefern?“
„Habe ich Euch nicht gestern abend gesagt, daß ich für einen Obersten der Lung-yin gelte?“
„Das stimmt.“
„Und dies war ein Lung-yin.“
„Ein Drachenmann? All devils, da habt Ihr mir einen ganz verteufelten Streich gespielt!“
„Warum?“
„Ihr hättet mir sagen sollen, daß er ein Pirat ist.“
„Ah!“
„Natürlich! Oder habt Ihr vergessen, daß ich jeden Drachenmann, der mir begegnet, totschlagen will?“
„Schlagt dafür bei der nächsten Begegnung zwei tot!“
„Das werde ich auch! Was wollte denn der Kerl?“
„Er hat mir gesagt, wo ich den Dschiahur treffen kann.“
„Wo?“
„Hier in der Nähe, in der Herberge zu den zehntausend Herrschern.“
„Wann?“
„Heute um Mitternacht.“
„Da gehen wir hin! Ich habe mit diesem Mongolen noch ein Wort zu reden.“
„Er ist nicht allein; es werden viele Lung-yin da sein.“
„Und wenn alle zehntausend Herrscher zugegen sind, ich gehe hin. Fürchtet Ihr Euch etwa vor diesen Zopfmännern?“
„Ihr wißt ganz genau, ob ich furchtsamer Natur bin; aber bedenkt einmal erstens, daß wir uns in einem fremden Land befinden, in welchem ganz eigentümliche Verhältnisse herrschen, und bedenkt zweitens, daß viele Hunde des Hasen Tod sind, was ich Euch bereits einmal sagte. Was würde aus unserm guten ‚The Wind‘ werden, wenn Kapitän Frick Turnerstick hier in irgendeiner Spelunke kalt gemacht würde?“
Die Erinnerung an sein Schiff wirkte.
„Das ist wahr, Charley. Was habt denn Ihr für eine Ansicht in dieser Sache?“
„Noch keine. Wir haben noch lange Zeit bis Mitternacht, und bis dahin wird wohl ein Entschluß zu fassen sein, was wir tun und was wir lassen werden.“
„Darüber könnte es eigentlich gar keinen Zweifel geben. Erstens haben sie sich an uns vergriffen und müssen ihre Strafe leiden, und zweitens ist es allgemeine Menschenpflicht, die Welt vor solchem Gesindel zu schützen.“
„Sehr richtig, Käpt'n. Aber daß sie sich an uns vergriffen haben, haben wir ihnen mit unseren Rudern mit Zinsen wieder heimgezahlt, und der andere Punkt hat auch seine zwei Seiten. Was geht uns China an? Warum sollen grad wir beide unser Leben riskieren, um eine Bande von Räubern zu
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