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331 - Verschollen in der Zeit

331 - Verschollen in der Zeit

Titel: 331 - Verschollen in der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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Zwanzigerjahre des 26. Jahrhunderts.
    »Acht«, antwortete AV-01.
    »Acht.« Er nickte. »Und seine Analyse?«
    »Es sind zu wenig, um die Versorgung des Großen Herrn dauerhaft zu sichern«, entgegnete AV-01.
    »Vor allem, seit das hier passiert.« Er führte den Roboter bis nah an einen der gläsernen Käfige. Die geflügelte Schlange lag so zusammengerollt darin, dass der Kopf auf dem eigenen Schuppenleib ruhte. Die transparenten Hautflügel wirkten wie abgestorben, zuckten nicht einmal.
    Wer die Schlangen kannte, wenn sie frisch gefangen wurden oder noch an den Hälsen ihrer Wirte hingen, wusste, wie schillernd und vital sie sich außerhalb der Gefangenschaft präsentierten. Der Aufenthalt in den Terrarien stumpfte sie sowohl körperlich als auch geistig rasend schnell ab. Alle Versuche, diesen Effekt zu bremsen, hatten bislang nicht gefruchtet.
    Nun war seit geraumer Zeit ein neues Phänomen dazugekommen: Sie verweigerten schon nach vergleichsweise kurzem Aufenthalt jegliche Nahrung und starben an den Folgen des Hungerstreiks.
    Mit anderen Worten, sie begehen Selbstmord.
    Wie es angefangen hatte, wusste er nicht mehr genau. Aber eine Schlange hatte begonnen, dieses Verhalten zu zeigen, und die anderen hatten es imitiert, wie er glaubte.
    Als Konsequenz hatte er die Terrarien abgedeckt. Mit mäßigem Erfolg, was ihm eigentlich hätte klar sein müssen, denn die Kreaturen kommunizierten mittels einer Art Telepathie. Inzwischen schätzte er sie als eigensinnige Charaktere ein; nicht jedes Exemplar ließ sich gleichermaßen von der Selbstmordwelle anstecken.
    Trotzdem waren von rund dreißig Exemplaren, die zu besten Zeiten im Labor gehalten worden waren, momentan gerade einmal noch die acht übrig, die AV-01 richtig gezählt hatte.
    Die Hälfte davon verweigerte inzwischen ebenfalls die Nahrungsaufnahme, sodass abzusehen war, wie lange er noch auf ihr Gift würde zugreifen können: im Höchstfall zwei, drei Tage.
    »Unsere Vorräte, die Wir in weiser Voraussicht anlegten, reichen noch für mehrere Monate. Aber das Vorkommnis im Dorf muss Konsequenzen haben. Spürbare Konsequenzen für die Initiatoren der Falle und ihre Wirtskörper.«
    »AV-01 ist Eurer Meinung, Großer Herr. Wann soll die Strafaktion starten? Wie viele Kämpfer stehen AV-01 zur Verfügung?«
    ***
    Erinnerung
    Alles ändert sich mit dem Gift.
    Alles ändert sich mit dem Reptil, das ich nie wieder freigeben will. Niemals wieder!
    Nachdem ich zu Kräften gekommen bin, erklimme ich endlich die Stufenpyramide, getrieben von der unsinnigen Hoffnung, dort oben ein passierbares Tor vorzufinden.
    Was ich finde, ist... nichts .
    Nichts Sichtbares jedenfalls. Ich weiß, dass die entarteten Tore mit einem lebenden Stein verschlossen und aus der Zeitphase gebracht werden, sodass sie in der hier herrschenden Realität nicht wahrnehmbar sind. Doch sie existieren – hinter einer dünnen Schicht gekrümmter Zeit. Wenn es mir gelänge, diese Tarnung zu durchbrechen, würde das Tor wieder erscheinen. Und ist es erst gegenständlich, muss es auch zu öffnen sein.
    Aber dieses Ziel liegt bedauerlicherweise noch in weiter Ferne.
    Die ersten Tage nutze ich dazu, die Umgebung der Pyramide sorgsam zu durchkämmen. Gleich zu Beginn fand ich ja bereits ein Artefakt aus dem zeitlosen Raum, aber bei diesem einen blieb es nicht. Nach zwei Tagen habe ich insgesamt zwei Dutzend Objekte eingesammelt, deren Ursprung zweifelsfrei feststeht. Nur der Armreif ist nicht darunter. In mir festigt sich die Erkenntnis, dass er entweder bei der Verformung der Pyramide zermalmt wurde, oder dass jemand oder etwas – ein räuberisches Tier vielleicht – ihn gefunden und fortgeschleppt hat.
    Der permanente Umgang mit Artefakten hat mich zeitlebens geprägt. Sobald sie Eingang in den zeitlosen Raum finden, haftet ihnen ein Stempel an, den jeder, der genügend Intelligenz dafür aufbringt, intuitiv zu lesen und zu erkennen vermag. Eine Art Gebrauchsanleitung für jedes einzelne Teil; bei weit über zehn Millionen Artefakten ein Muss.
    Es ist merkwürdig: Die Erinnerung an den zeitlosen Raum und die anderen Archivare müsste weit klarer sein, als sie ist. Mein Bewusstsein scheint wie von einem permanenten Nebel umgeben. Die Schuld daran gebe ich dem Schlangengift. Es muss schädliche Nebenwirkungen haben, die vor allem mein Gedächtnis betreffen. Aber die positive Wirkung – dass ich überhaupt lebensfähig bin in dieser Umwelt – überwiegt diesen Nachteil so sehr, dass ich nicht einmal in

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