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34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer

34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer

Titel: 34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika Reich
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sie, »die Vorhänge sind das einzig wirklich Schöne in meiner Wohnung.«
    »Und das Bad? Das Bad ist prekär. Da kommt schließlich noch das Wasserrauschen hinzu.«
    »Mein Bad ist klein und scheußlich, Siebziger-Jahre-Kacheln, dunkelbraun, beige, wirklich scheußlich.«
    Er würde es keinen Tag in ihrer winzigen Wohnung aushalten, dachte Ella, er würde das Ganze abblasen, sobald er ihre Wohnung gesehen hatte.
    »Wunderbar, ganz wunderbar. Sehen Sie, das merkt man gleich. Sie sind ein kleines Kraftwerk. Geben Sie mir mal Ihre Hand?«
    Kleines Kraftwerk? Ihm ihre Hand geben? Warum wollte er ihre Hand? Außerdem: das hätte mal jemand anderes zu ihr sagen sollen: ›Sie kleines Kraftwerk.‹ oder ›Sie mit Ihrem entzückend jungen Gehirn!‹, aber sie wollte nun wirklich wissen, wer Horowitz war, an was für einem Werk er gearbeitet, was er mit dem Meer zu tun hatte und warum er allein in so einer riesigen, eigenartigen Wohnung wohnte.
    Ella schaute auf seine Schuhe. Sie waren dunkelbraun und hatten weiße, abgelaufene Gummisohlen. Sie streckte ihm die rechte Hand hin, er nahm sie zwischen seine Hände und ließ sie wieder los. Jetzt hatte er ihre flachen Fingerkuppen und die seltsamen Nägel gesehen.
    »Sind Sie ein Meeresbiologe?«, fragte sie.
    »Gott bewahre! Wozu denn? Von denen gibt es ja nun wirklich genug. Nein, nein, ich versuche, das Meer – wie soll ich sagen? – in seiner Gesamtheit zu erfassen. Die Wissenschaft hat das schon längst vergessen, aber es gibt auch die Naturgeschichte, und auch die muss erzählt werden, sonst läuft alles aus dem Ruder. Das Wasser prägt uns viel mehr als wir das Wasser. Ich habe versucht, das Meer zu rehabilitieren als das, was es ausmacht, als das, was es in seinem Wesen ist: das große Ganze! Und ich habe es fast geschafft. Ich brauche jetzt nur noch diesen einen frischen Blick, um es endlich abschließen zu können, und deswegen muss ich hier raus.«
    Also ein Forscher, dachte Ella, aber ein Forscher von Weltrang. Wie kam er sonst zu einer solch prachtvollen Wohnung?
    Horowitz fuhr fort: »Trinken wir erst mal einen Tee? Danach zeige ich Ihnen die ganze Wohnung und erzähle Ihnen vom Meer – wenn Sie davor nicht Reißaus genommen haben. Die meisten nehmen schon vorher Reißaus. Aber die sind auch nicht seefest, und Sie sind es, das merke ich gleich.«
    Sie schaute ihn zögerlich an: Seefest? Vielleicht war Reißausnehmen keine schlechte Idee, vielleicht sollte sie jetzt einfach verschwinden und das Ganze wieder vergessen?
    Sie folgte ihm in die Küche.
    Auf dem Weg fragte er: »Und Sie? Warum wollen Sie Ihre Wohnung verlassen?«
    »Meine Wohnung verlassen?«, fragte sie. »Ich will meine Wohnung doch gar nicht verlassen. Ich weiß auch nicht, ich hab gar nicht so viel darüber nachgedacht, ich hab den Zettel gefunden und die Nummer gewählt, und jetzt bin ich hier.«
    Sie setzten sich an den Küchentisch: »Zucker?«
    Sie schüttelte den Kopf: »Danke.«
    Der Tee schmeckte modrig und schal, aber sie schluckte ihn mit einem Bissen vom Croissant herunter.
    »Wissen Sie eigentlich, wo Berlin liegt, ich meine, wo wir gerade sitzen?«, fragte er.
    Sie schaute ihn ahnungslos an.
    »34 Meter über dem Meer«, sagte er und freute sich, dass ihr der Gedanke offensichtlich gefiel.
    Nachdem sie eine Weile weitergeplaudert hatten, führte er sie in den »großen Salon« seiner Charlottenburger Titanic und erzählte ihr währenddessen Geschichten vom Meer: von Meerjungfrauen, U-Boot-Kapitänen und eigentümlichen Meermännern; er konnte wunderbar erzählen. Zwischendurch schwieg er, und sie konnte seinen Geschichten nachhängen.
    Der »große Salon« war bis unter die Decke mit Regalen vollgestellt. Darin stapelten sich Bücher, Papiere und Dutzende vergilbte Papprollen. Zwischen diesen Papierbergen gab es überall Miniaturausgaben von alten Segelschiffen und alle möglichen Formen von Seegetier zu entdecken. In einer Ecke stand ein oben offener Glaskasten von der Größe eines Kleinwagens auf vier verrosteten Metallfüßen. Der Glaskasten schien schon länger seine Funktion verloren zu haben, jedenfalls war er nun leer, nur ein haariges Etwas lag in einer verkalkten Ecke.
    »War das mal ein Aquarium?«, fragte sie ihn.
    Horowitz schaute sie mit einem bedrückten Gesichtsausdruck an und schwieg.
    »Ich…«, versuchte sie.
    »Nein, nein, ist schon gut. Sie haben recht, es war eine Art Aquarium, aber natürlich keines mit Goldfischen. Ich wollte dort was ausprobieren. Ein

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